Imâm

[765] Imâm (arab.), derjenige, dessen Leiterschaft oder Beispiel gefolgt werden muß (Vorsteher). Die Muslims gebrauchen den Ausdruck in verschiedenem Sinne: 1) als Titel des Kalifen (s. d.); einige Fürsten Arabiens führen noch jetzt diesen Titel, z. B. der I. von Maskat. 2) Die Schiiten nennen die zwölf, allem als berechtigte Leiter der islamischen Gemeinde von ihnen anerkannten Abkömmlinge Alis, die »zwölf Imâme«, indem sie diese für die wahren Imâme oder Kalifen halten (s. Imâmiten). Es sind: Ali, Schwiegersohn des Propheten Mohammed; Hassan, Sohn Alis; Hussein, zweiter Sohn Alis; neuen Nachkommen Husseins in direkter Deszendenz: Ali, genannt Sain al Abidîn, Mohammed al Bakir, Dscha'far ass Ssâdik, Mûssa al Kássim, ar Ridâ, Mohammed at Takî, Alî an Nakî, Hassan al Affkarî, Mohammed, genannt al Mahdî, von dem die Schiiten glauben, daß er noch am Leben sei, sich nur verborgen halte und am Jüngsten Tage wieder erscheinen werde. I.-Sadeh (Imamssöhne) werden in Persien die zahlreichen Abkömmlinge der zwölf Religionsfürsten genannt, deren mit grünen Kuppeln gezierte Gräber beliebte Wallfahrtsorte sind. 3) I. heißt bei den Sunniten der Begründer eines theologischen (dogmatischen wie juristischen) Systems; vorzugsweise werden die Begründer der vier sunnitischen Rechtsschulen (s. Islâm), Abu Hanifa, Mâlik, Schafi'i und Ibn Hanbal, I. genannt. 4) Im allgemeinen versteht man, namentlich in der Türkei, unter I. jeden Theologen, der an der Spitze einer muslimischen Gemeinde steht und in der Moschee die Gebete leitet; sein Amt wird nicht als ein göttliches angesehen und ist nicht, wie das der christlichen Priester, mit besondern kirchlichen Zeremonien umgeben. Der I. der Gemeinde pflegt die Beschneidung, die Leichenbestattung und den Abschluß von Heiraten (als[765] reinen Zivilakt) zu besorgen, und unter ihm stehen die niedern Moscheebeamten, die im Range etwa unsern Kirchendienern gleichstehen, wie z. B. die Muessins (s. d.). I.-Dschu m´a (»Freitagsprediger«)-ist in Persien Titel der obern Geistlichen. Seinem Äußern nach kennzeichnet sich der I. in der Türkei nur durch seine konservative, alttürkische Kleidung (langen Oberrock, Dschubbe genannt, und weißen Turban). Die Imâme werden aus den Theologen nach Absolvierung ihres theologischen Kursus von der Gemeinde erwählt und von der Behörde bestätigt.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 9. Leipzig 1907, S. 765-766.
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