Insel

[867] Insel (lat. Insula), im Gegensatz zu den Halbinseln (s. d.) ringsum von Wasser umflossener Teil der festen Erdoberfläche. Kleinere Inseln pflegt man auch Eilande und die von zwei Armen eines Flusses gebildeten Werder oder Wörth zu nennen (s. auch Holm, Schären). Die Inseln liegen entweder in der Nähe der Kontinente oder fern von ihnen im Ozean zerstreut. Bald bilden sie größere oder kleinere, mehr oder weniger kreisförmige Inselgruppen (oder Archipele [s. Archipelagus]), bald liegen sie reihenförmig hintereinander (Inselketten). Die im Ozean verbreiteten Inseln lassen sich als die über die Wasserfläche hervorragenden Kämme, Kuppen und Spitzen von Gebirgen betrachten, deren Fuß unter dem Meeresspiegel liegt. Aufhäufungen von Sand, die wenig über die Wasserfläche hervortreten, oder auch flache Erhebungen von nacktem Gestein haben zwar den Charakter von Inseln, werden aber im Meer und in Strömen nicht als solche, sondern als Sandbänke (s. Bank) und Klippen (s. d.) bezeichnet. Die größten Inseln bilden den Asiatischen oder Sunda-Archipel, der gleichsam die Verbindung zwischen Asien und Australien herstellt. Von ansehnlicher Größe sind auch die Inseln bei Europa, z. B. Großbritannien und Irland, und die nördlich von unserm Erdteil liegenden Inseln Island, Spitzbergen, Nowaja Semlja; ebenso Madagaskar, aber die größte aller Inseln ist wahrscheinlich Grönland. Gering ist die Größe der Inseln, die fern von den Kontinenten im Ozean zerstreut liegen, so die polynesischen Inseln. Während die kontinentalen Landmassen einen Flächeninhalt von ungefähr 127 Mill. qkm einnehmen, haben die Inseln nur einen solchen von etwa 6,5 Mill. qkm. Nach ihrer Entstehungsart unterscheidet man: 1) Kontinentalinseln, d. h. Inseln, welche Glieder der benachbarten Kontinente darstellen, die infolge einer fortdauernden Senkung zum Teil vom Meer überflutet sind. Sie schließen sich entweder in ihrem orographischen und geologischen Bau dem benachbarten Küstenland an (Abgliederungsinseln, Gestadeinseln)-so die Inseln an der Küste der Bretagne, des südwestlichen Irland und von Schottland sowie die Fjordinseln an der Westküste Grönlands, Norwegens und Patagoniens, und die Bruchinseln, die einzelne, durch Einbruch der zwischenliegenden Teile voneinander getrennte Stücke eines Festlandes darstellen (z. B. die Inseln des Griechischen und des Westindischen Archipels)- oder sie stellen die in Inseln aufgelösten Außenränder der Kontinente dar, begleiten dann, zuweilen in Reihen geordnet, die Kontinente in weiterm Abstand und vervollständigen deren geologisches Bild und Geschichte. Man teilt die letztern in die oft von Vulkanen gekrönten randständigen Kontinentalinseln, zu denen z. B. die ostasiatischen Inselbogen gehören (Alëuten, Kurilen, Japanbogen, Formosabogen, der an 6000 km lange Javabogen etc.), in die binnenständigen Kontinentalinseln, wie Großbritannien mit Irland, Sardinien, Korsika etc., und in die außenständigen Kontinentalinseln, wie Madagaskar, Ceylon, die Falklandinseln, Tasmania etc. 2) Parasitische Inseln (mit Bezug auf ihren Hauptverbreitungsbezirk, den freien Ozean, auch wohl als ozeanische bezeichnet), schließen sich als ' zufällige, fremdartige Gebilde an Anschwellungen im Meeresgrund an, sind durchgängig von geringer Größe und haben wie die niedrigen Koralleninseln (s. d.) gar keine oder wie die oft ansehnlich hohen vulkanischen Inseln (z. B. die Kanaren, St. Paul, Réunion, die Sandwichinseln mit dem 4194 m hohen Mauna Loa, die Kerguelen) nur eine entfernte Beziehung zum innern Gebirgsbau. 3) Schwemminseln, durch Zusammenführung losen Materials, als Korallensand und Schlamm, durch die Strömung entstanden, allenthalben an flachen, lagunenreichen Küsten verbreitet, durchgängig klein und unbedeutend. Die Kontinentalinseln lassen häufig noch an ihrer Fauna und Flora den ehemaligen Zusammenhang mit dem benachbarten Festland erkennen; allerdings kann im Laufe der Zeit infolge der Isolierung der I. und des insularen Klimas sowie[867] durch Einwanderung von andern Kontinenten her unter dem Einfluß günstiger Winde und Meeresströmungen, auch wohl durch künstliche Eingriffe eine allmähliche Veränderung der Formen und eine Einschränkung ihrer Zahl erfolgen, aber kaum eine Umänderung des allgemeinen Typus. Dagegen wird die organische Welt der parasitischen und der Schwemminseln von ihrer Lage zu den benachbarten Kontinenten und von einer dieser entsprechenden Zufuhr von Pflanzen und Tieren durch die Meeresströmungen und die Luft abhängig sein. Über Pflanzen- und Tierwelt der Inseln s. Inselflora und Inselfauna. Vgl. Hahn, Inselstudien (Leipz. 1883); v. Richthofen, Führer für Forschungsreisende (2. Abdruck, Hannov. 1901).

Nicht eigentlich zu den Inseln gehören die sogen. schwimmenden Inseln. Sie bestehen aus Eismassen (Eisinseln, Eisberge) oder aus pflanzlichen Stoffen. Die letztern Inseln werden meist von wurzelreichen, rasenbildenden Monokotyledonen gebildet und sind besonders aus den Tropen bekannt. Im obern Nil (bei Bahr el Gazal, Bahr el Abiad etc.) bilden sich in dem Altwasser aus den an Ort und Stelle gewachsenen Gräsern und angeschwemmtem Treibholz zuweilen bis 400 m lange und 300 m breite Grasbarren (Sedd), die sich bei eintretendem Hochwasser losreißen und als schwimmende Inseln (Tof) oft der Schiffahrt sehr gefährlich werden. Auf dem Mississippi schwimmen die Rasts, die zuweilen mehr als 2 geographische Meilen Länge besitzen sollen und bis 15 m hohe Bäume tragen. Ferner können in manchen Seen, z. B. im See Tagua tagua des zentralen Chile, durch Abreißen des in Vertorfung begriffenen Ufersaumes oder kleinerer Halbinseln schwimmende Inseln entstehen, die vom Winde von einer Seite des Sees zur andern getrieben werden und oft Rinder und Pferde als Passagiere mitführen. Eine 1892 auf dem Atlantischen Ozean beobachtete schwimmende Insel war etwa 1000 qm groß und bestand aus dichtem, bis 9 m hohem Gestrüpp; offenbar war sie ein Stück eines Swamps der amerikanischen Küste; sie hatte einen Weg von annähernd 1900 km zurückgelegt.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 9. Leipzig 1907, S. 867-868.
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