Jarkand

[200] Jarkand (Yarkand, Jarkend, »Ort der Freude«), Hauptstadt des gleichnamigen Distrikts im chinesischen Ostturkistan und dessen wichtigster Handelsmittelpunkt, unter 38°22' nördl. Br. und 77°10' östl. L., 1270 m ü. M., zwischen den Armen des Flusses J., der am Karakorumpaß 5150 m ü. M. entspringt und sich unter 40°10' nördl. Br. mit dem Kaschgar zum Tarim vereinigt. Die Stadt liegt in einer durch Bewässerungskanäle sehr fruchtbaren Ebene, die viel Weizen, Gerste, Reis, Baumwolle, Ölsaaten, Melonen, Äpfel, Trauben erzeugt und große Herden von Schalziegen und Fettschwanzschafen ernährt. I. ist von einer mächtigen Lehmmauer umgeben, durch die fünf Tore in die Altstadt mit äußerst engen, schmutzigen Straßen führen. Die ausgedehnten Vorstädte umfassen auch das von Gräben und Mauern umgebene Jengischahr (Neustadt), Wohnsitz der höchsten Beamten, mit dem alten Palast des Emirs, der hier einen großen Teil des Jahres zu residieren pflegte; in dem südlicher gelegenen Fort wohnt der Befehlshaber der starken chines. Truppenabteilung sowie 5000 chinesische und dunganische Kaufleute. 67 schmale Kanäle mit über 200 Rinnen verteilen das sehr unsaubere Wasser des Flusses zu häuslichen Zwecken in der Stadt. Die Häuser sind meist aus an der Sonne getrockneten Ziegelsteinen erbaut; die der Reichen bestehen aus einem von einer hohen Mauer umgebenen Häuserviereck. Die bemerkenswertesten Gebäude sind: 160 Moscheen mit Schulen, 12 Karawansereien und zwei große Basare, die, wie jene, mit Waren aller Art angefüllt sind. Die nach den verläßlichsten Angaben 75,000 Köpfe starke Bevölkerung besteht vornehmlich aus sunnitischen Mohammedanern türkisch-tatarischen Stammes, ferner aus Vertretern der verschiedensten Volksstämme. Hauptbeschäftigungen sind Seidenraupenzucht, Teppichweberei, Filzfabrikation und Handel. Ausgeführt werden Seide, seine Wolle zu Kaschmirschals, Hanf, Goldstaub; ein geführt werden (durch Engländer, Russen und Chinesen) Tee, Zucker, Opium, Anilinfarben, Leder, Schießpulver, von denen ein großer Teil in Pferdelasten zur Wiederausfuhr kommt. – Die Stadt, kurz nach Christi Geburt Mittelpunkt eines Reiches, das die Herrschaft über das gesamte Tarimbecken anstrebte, aber dann lange unter chinesischer Vormundschaft, wurde 1759 von den Chinesen, 1864 von den Dunganen erobert, war unter Jakub Beg (s. d.) zweite Residenz des Reiches Kaschgar, wurde aber 1877 wieder von den Chinesen genommen.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 10. Leipzig 1907, S. 200.
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