[370] Jungfraubahn, elektrisch betriebene Zahnradbahn von der Scheitelstation »Wengern-Scheideck« der (mit Dampf betriebenen) Zahnradbahn Lauterbrunnen-Grindelwald ausgehend, zur Erschließung einer Reihe großartiger Aussichtspunkte der aus Eiger, Mönch und Jungfrau bestehenden Hochgebirgsgruppe im vielbesuchten Berner Oberlande. Nach erfolgreicher Schöpfung verschiedener Zahnrad- und Seilbahnen bis über 2000 m Meereshöhe (s. Bergbahnen) durch Schweizer Ingenieure lag der Gedanke nahe, auch die Jungfrau (Gipfelhöhe 4166 m) durch eine Bergbahn zugänglich zu machen. So hatten bereits um 1890 zwei Entwürfe zu direkter Ersteigung der gewaltigen Höhe unmittelbar von der etwa auf 800 m liegenden Talsohle bei Lauterbrunnen aus[370] bestimmtere Gestalt gewonnen, beide auf ganze Länge als Tunnel im Innern der Felsmasse gedacht. Der eine (von Trautweiler) wollte das Ziel durch Seilbetrieb in mehreren Abteilungen (da ein Seil zu lang würde) erreichen. Nach dem andern Entwurf (von Locher, dem Erbauer der Pilatusbahn) sollte das Fahrzeug als geschlossener Zylinder das ganze Tunnelrohr mit nahezu luftdichtem Anschluß ausfüllen und durch mäßigen Luftüberdruck an der untern Seite gehoben, bez. durch Nachlassen des Luftdrucks herabgelassen werden.
Nachdem jedoch inzwischen die Zahnradbahn Lauterbrunnen-Scheideck (2064 m) Grindelwald erbaut und 1893 eröffnet worden war, erschien es zweifellos richtiger, von dem schon erreichten hohen Punkt auszugehen, und zugleich sicherer, auch diese neue Bahn als Zahnradbahn mit dafür üblicher Steigung (250 auf Tausend) auszuführen. So ergab sich zugleich die sehr vorteilhafte Möglichkeit, unterwegs eine Reihe von höchst anziehenden Aussichtspunkten durch Aussprengen von Felsengalerien zu erschließen, die der Bahn schon lange vor der vollen Durchführung Einnahme zuführen, ja vielleicht für sich allein schon, selbst ohne Erreichung des Gipfels, den Bau zu lohnen geeignet sein könnten, wenn sie den unmittelbaren Einblick in jene, bisher nur wenigen kühnen Bergsteigern zugängliche, große Gebirgswelt erschließen, wie sie zumal auf der Südostseite der bezeichneten Gebirgsriesengruppen verborgen liegt.
Die Konzession zu einer solchen Bahn wurde von Guyer-Zeller, damals Direktor der Schweizerischen Nordostbahn, erworben, der jedoch als Nichttechniker die Schwierigkeiten und Kosten des Unternehmens unterschätzte. Die triangulatorischen und photogrammetrischen Aufnahmen des meist aus steilen, unzugänglichen Felswänden bestehenden Geländes sind von Koppe (Braunschweig) begründet worden. Die Ausgestaltung und Ausführung des Entwurfs wurde in den ersten Jahren (189698) von dem Schweizer Ingenieur Strub geleitet. Die Linie beginnt von Scheideck aus mit einer etwa 2 km langen offenen Strecke bis zur Station »Eigergletscher« auf 2223 m Meereshöhe; dieser Teil ist im Sommer 1898 begonnen und 19. Sept. 1898 eröffnet worden. Etwa 200 m weiter tritt die Linie als Tunnel in das Gebirge ein und zieht sich in nicht großer Entfernung von der Außenwand mit der gleichmäßigen Steigung 1: 4 erst an der nördlichen, dann an der südlichen Seite des von SW. nach NO. streichenden Gebirgstockes entlang (Fig. 1 u. 2: Lageplan und Längenprofil). Der Weiterbau des Tunnels ist und wird nur langsam betrieben, da die Geldmittel nicht leicht zu beschaffen sind. Bisher sind nur die erste Tunnelstation, »Rotstock«, bei 2,85 km und die zweite, »Eigerwand«, bei 4,3 km, diese auf 2868 m im Februar 1904, eröffnet worden. Eine dritte Tunnelstation, »Eismeer«, ist bei 5,6 km etwa auf 3162 m, eine vierte, »Jungfraujoch«, bei 9,6 km auf 3396 m in Aussicht genommen. Zwischen den letzten beiden ist eine flachere Steigung (67 auf Tausend) vorgesehen. Der Gipfel der Jungfrau soll schließlich durch einen senkrechten Auszug von noch etwa 66 m Höhe erreicht werden. Es ist jedoch an dem Entwurf wie auch an dem Personal seit Beginn des Baues schon vielfach geändert worden und dürften auch weitere Änderungen kaum ausbleiben. Vorläufig wird nur beabsichtigt, bis zur Station »Eismeer« zu bauen. Der Oberbau der Bahn hat 1 m Spurweite (die Wengernalpbahn 80 cm). Die Zahnstange ist von Strub als selbständige, sehr hohe Breitfußschiene gebildet worden, aus deren Kopf die Zahnlücken ausgefräst[371] sind (Fig. 3). Der Kopf ist zugleich (wie die Fahrschienen der Seilbahn zum Stanserhorn, s. Bergbahnen, S. 661) nach unten schlank unterschnitten, so daß er mit sicherm Erfolge von Bremszangen der Fahrzeuge umfaßt wird, die auch im gelösten Zustand ein Umkippen der Fahrzeuge ausschließen.
Die elektrische Energie zum Betriebe der Bahn wie auch zur Ausführung des Baues (elektrische Bohrmaschinen) wird unten bei Lauterbrunnen aus der Lütschine gewonnen mittels eines Druckrohrs von 1,8 m Durchmesser und vorläufig zwei Turbinen von je 500 Pferdestärken, während eine Wasserkraft von 2130 Pferdestärken zur Verfügung steht. Die Elektrizität wird mit 7000 Volt durch drei harte Kupferdrähte von 7,5 mm Durchmesser zu den Arbeitsstellen geleitet und durch Transformatoren auf 500 Volt ermäßigt.
Die Züge bestehen aus einer vom Zuge lösbaren Lokomotive mit 12 Ton. Gewicht, einem für gewöhnlich damit verbundenen Wagen und einem Anhänger Außer der erwähnten Schienen-Zangenbremse wirkt eine Handbremse auf Bremsscheiben der Zahnradachsen und eine selbsttätige elektrische Bremse an der Dynamowelle durch Unterbrechung des Stroms, sobald die Geschwindigkeit ein bestimmtes Maß überschreitet.
Eine Vorstellung von der Anordnung der unterirdischen Stationen im Felsen mit Aufenthaltsräumen und Ausguckbalkons an der Felswand, die vielleicht 1000 m tief abstürzt, geben die Figuren 4 und 5 durch Darstellung des Grundrisses und eines Querschnittes. Die innern Felswände sind mit Holz verkleidet. Für Beleuchtung und Erwärmung steht Elektrizität zur Verfügung. Val. Guyer-Zeller, Das Projekt der J. (Zür. 1896); »Schweizerische Bauzeitung«, Bd. 28, S. 83; ebenda S. 26, 54, 87; Bd. 29, S. 97; Bd. 30, S. 18; Bd. 41, S. 12; Strub, Bergbahnen der Schweiz bis 1900. II: Reine Zahnradbahnen (Wiesb. 1902); S. Herzog, Die J. (Zür. 1904).
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