Landerziehungsheime

[97] Landerziehungsheime. Erziehungshäuser, nach eignem Plane begründet und geleitet von Hermann Lietz (s. d.). Dieser gründete, angeregt durch englische Muster, 1898 bei Ilsenburg am Harz eine ländliche Erziehungsanstalt für Knaben, wo Land-, Garten- und Hausarbeit, Ausflüge ins Freie etc. mit dem tunlichst frei gestalteten Unterricht wechseln. 1901 folgte als zweites Heim Haubinda (Sachsen-Meiningen), 1904 als abschließendes drittes Schloß Bieberstein bei Fulda. Jede dieser drei Anstalten ist auf drei Lehrjahre (etwa vom 9. Lebensjahr an) berechnet, so daß Haubinda für diejenigen, die diese Berechtigungen erwerben wollen, mit dem sogen. Einjährigenrecht, Bieberstein mit der Reifeprüfung (Oberrealschule) schließt. Doch ist der Anschluß an die staatlichen Lehrpläne ein freier und loser. Anerkannte Berechtigungen verleihen die L. selbst nicht, haben aber bis jetzt ermutigende Erfolge bei staatlichen Prüfungen aufzuweisen. Ihr Grundcharakter ist erklärt protestantisch-germanisch, doch wird jede Unduldsamkeit und jede Gefährdung des Wahrheitssinnes durch fertige dogmatische Tradition verworfen. – L. für Mädchen gründete Frau Berta Petersenn 1900 in Wannsee (Stolpe) bei Potsdam und für größere Mädchen 1904 in Gaienhofen am Bodensee (Baden). Im Auslande bestehen die L. zu Glarisegg am Bodensee (Schweiz; 1902) und Chalais (Frankreich, Dordogne; 1905), beide von frühern Mitarbeitern des Gründers nach dessen Plan eingerichtet. Freundliches Verhältnis besteht zu der englischen Musteranstalt New School Abbotsholme bei Rocester (Derbyshire, seit 1888). Vgl. Lietz, Aus den deutschen Landerziehungsheimen (besonders den Bericht über das sechste Jahr, Berl. 1904); Frei und Zuberbühler, Schulprogramm des schweizerischen Landerziehungsheims Schloß Glarisegg bei Steckhorn (Zürich 1902); Contou, Écoles nouvelles et L. (Par. u. Nancy 1905).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 12. Leipzig 1908, S. 97.
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