[314] Lederschnitt (Ledertreiben, Lederpunzen), eine dem Metalltreiben ähnliche Verzierungsweise des Leders, bei der jetzt meist in folgender Weise verfahren wird: Nachdem die Zeichnung auf Pausleinen oder Pauspapier durchgepaust ist, überträgt man sie mit einem Stift auf das leicht angefeuchtete Rindsleder, das mindestens sechs Monate in Eichenlohe gegerbt sein muß. Dann werden die Umrisse der Zeichnung mit dem Messer aufgeritzt und, nachdem das Leder abermals mäßig angefeuchtet worden, mit dem zum Durchpausen benutzten Stift mehr oder weniger aufgerissen. Darauf wird der Grund zwischen den Umrissen der Zeichnung mit verschieden geformten Eisen niedergeschlagen, so daß die Zeichnung ein flaches Relief bildet. Wenn die Arbeit in hohem Relief angefertigt werden soll, wird die Zeichnung getrieben, nach dem man das Leder von neuem vorsichtig angefeuchtet hat. Zum Treiben benutzt man Ledertreibringe von verschiedenen Größen und Formen, die den Grund des Leders niederhalten, während man die Zeichnung treibt. Man legt den Ring auf der vordern Seite des Leders auf die Stelle, die erhaben werden soll, und treibt von der Rückseite mit einer Hohlkehle unter Anwendung von leichten Hammerschlägen das Leder vorsichtig in die Ringvertiefung, die nachher mit Modellierwachs oder mit einem Teig aus seinem Roggenmehl und Sägespänen ausgefüllt wird. Alsdann wird die feinere Modellierung der rohen Formen durch Drücken und Streichen mit dem Modelliereisen vorgenommen. Zum Punzen des Grundes bedient man sich zweier Arten von Punzen, der Perl- und Sternpunzen. Nach dem Punzen wird das Leder gebeizt, indem man mit einem Schwamm, der mit mehr oder weniger verdünnter Seifensiederlauge gefüllt ist, gleichmäßig und schnell über das Leder fährt. Die Ornamente können auch vergoldet und versilbert oder mit Ölfarbe bemalt werden. Der L. findet sich schon früh im Orient; man verzierte hier allerlei Geräte in dieser Weise, selbst Pfeilköcher, Pulverflaschen, Schwertscheiden u.a.; aber schon im frühesten Mittelalter wurde auch in Europa der L. auf Futterale für heilige Gefäße, für Königs- und Fürstenkronen, Kästchen, Bestecke, vor allem aber Bucheinbände angewendet. Die ältesten Arbeiten zeigen nur umrissene Zeichnung. Sodann folgt das teilweise Entfernen des Grundes, später das Unterlegen und Punzen. Auch trat Bemalung hinzu. Mit der spätgotischen Zeit nahm die Technik einen lebhaften Aufschwung; die Schmuckkästchen für vornehme Damen wurden gern in dieser Weise geziert, vielfach mit profanen Darstellungen, Liebesszenen, der Königin Minne etc. Im 16. Jahrh. verbreiteten sich die in dieser Technik hergestellten, vergoldeten und bemalten Ledertapeten, die seit dem frühen Mittelalter in Spanien angefertigt wurden, über ganz Europa und erhielten sich bis zum letzten Drittel des 18. Jahrh. (Näheres s. Ledertapeten). Dann erlosch allmählich der L. an den meisten Orten und lebte nur noch in Spanien und Portugal fort. Von dort kam er nach den spanischen und portugiesischen Kolonien und nach Südamerika. Mit Vorliebe verzierte man dort Sättel, Reitzeug, überhaupt Pferdegeschirr in dieser Technik. Derartige Arbeiten erschienen auf den Weltausstellungen und veranlaßten das Wiederaufleben der Technik in Europa. Wunder in Wien erfand sie selbständig von neuem; vor allen andern haben aber Hulbe in Hamburg und Hupp in Schleißheim die alte Technik zu neuen Ehren geführt. Letzterer fertigt mit Vorliebe Arbeiten in altem Charakter, ersterer moderne Gebrauchsgegenstände. Die Technik wird jetzt vorzugsweise bei Stuhl-, Armsessel- und Truhenbezügen, Bücher- und Albumdeckeln, Zigarrentaschen, Brieftaschen, Portemonnaies, Schreibmappen, Handschuhkasten, Photographierahmen, Photographieständern, Serviettenbändern u. dgl. angewendet. Vgl. Niederhöfer, Vorlagen für Lederschnittarbeiten (Frankf. a. M. 1886, mit Anleitung); Horn und Patzelt, Vorlagen für geschnittene und gepunzte Lederarbeiten (Gera 1886); Büttner, L. und Lederplastik (32 Tafeln, Leipz. 1891); Zinn, Anleitung zum L. (Wiesb. 1893); Hulbe, Praktische Anweisung zur Ausführung der Ledertechnik (Hamb. 1903); Klara Roth, Anleitung zum L., Zinnbossieren und Gravieren (2. Aufl., Leipz. 1905).