Militärkolonien

[822] Militärkolonien, Ansiedelungen ganzer Truppenteile, die leichtere Verteidigung oft bedrohter Landesgrenzen, Erleichterung des Unterhalts der Truppen in wenig bewohnten Gegenden, Urbarmachung unbewohnter, aber fruchtbarer Landstriche, Verschmelzung des Militärstandes mit dem Bauernstand etc. bezwecken und deren charakteristisches Merkmal Vereinigung einer bedeutenden Truppenmacht auf verhältnismäßig kleinem Raum und Ernährung derselben durch eigner Hände Arbeit ist. Schon Alexander d. Gr. siedelte seine Veteranen an, und die Römer haben durch M. hauptsächlich ihre Weltherrschaft begründet. In der Neuzeit wurden zuerst vom Kaiser Ferdinand I. an der türkischen Grenze M. in größerm Maßstab angelegt; aus ihnen entstand später die Militärgrenze (s. d.). In Schweden wurden von Karl XI. Soldaten und Offiziere zerstreut auf Krondomänen angesiedelt, die zu Übungen und im Fall eines Krieges zusammengezogen wurden (s. Judelta). Ferner wurden M. seit 1818 vom Kaiser Alexander I. von Rußland nach dem Plan des Grafen Araktschejew angelegt, die Soldaten bei den Kronbauern einquartiert und völlig militärische Dörfer gebildet. Die betreffenden Ukase datieren vom 26. April 1818, 12. Dez. 1821 und 18. Febr. 1825. 1828 waren bereits drei Infanterie- und fünf Kavalleriedivisionen, erstere in den nördlichen, letztere in den südlichen Gouvernements, organisiert. Die junge Mannschaft der Kolonie, bei der Infanterie vom vollendeten 12., bei der Kavallerie vom 14. Jahr an, ward zugleich für den Ackerbau und Kriegsdienst ausgebildet. Vom 17. Jahr an dienten diese jungen Leute als Reserve der ackerbautreibenden Soldaten, vom 21. Jahr an in der Armee. Nach 25jährigem Dienst konnte der Kolonist seine Entlassung aus der Kolonie verlangen, mußte dann aber noch fünf Jahre in der Reserve dienen. Als 1831 die M. eine andre Einrichtung erhielten, brachen Aufstände aus, die von Araktschejew (s. d.) mit furchtbarer Strenge niedergeworfen wurden. Nach dem letzten orientalischen Kriege blieben nur die charkowsche, chersonsche und kiew-podolische Kolonie bestehen, aber mit Gemeindeverfassung ohne militärische Organisation. Von untergeordneter Bedeutung waren die M., die der französische Marschall Bugeaud in Algerien gründete; dagegen förderte die Ansiedelung der deutschen Legion, die England 1857 zum Schutz des Kaplandes gegen die Kaffern berief, die friedliche Entwickelung der Kapkolonie. Vgl. Jaillet, Essai historique et critique sur la colonisation militaire (Par. 1903).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 13. Leipzig 1908, S. 822.
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