Militärgrenze

[818] Militärgrenze, der vom Adriatischen Meer bis Siebenbürgen sich erstreckende schmale Landstrich im Süden Ungarns, der die Grenze gegen Dalmatien, Bosnien, Serbien und Rumänien bildete, 1849 zu einem eignen Kronland erhoben wurde, bis auf die neueste Zeit seine eigne militärisch-administrative Verfassung hatte und ein Areal von 33,422 qkm (609 QM.) mit (1869) 1,200,371 Einw. umfaßte. Gegenwärtig ist die M. teils mit Ungarn (Komitate Bács-Bodrog, Temes und Krasso-Szörény), teils mit Kroatien-Slawonien (Komitate Lika-Krbava, Modrus-Fiume, Požega, Virovititz und Syrmien) vereinigt.

[Geschichte.] Den Grund zur M. legten nach herkömmlicher Ansicht die Könige Ludwig I. und Matthias Corvinus von Ungarn, ersterer durch die erste Einrichtung einer Hauptmannschaft in Zengg, letzterer durch die Ansiedelung aus der Türkei geflüchteter Bosnier und Serben in Kroatien im »Kapitanat von Zengg«, der spätern Karlstadter Grenze. Doch verfiel diese Gründung wieder bis zur Spurlosigkeit. Die eigentliche Ausbildung gewann diese Einrichtung im 16. Jahrh., als Ferdinand I. 1535 und 1538 von den Türken vertriebenen Serben (Rascianern, Uskoken) drei Kapitanate in Oberslawonien: Kopreinitz, Kreuz und Ivanič, unter der Verpflichtung des Kriegsdienstes gegen die Türkei überließ, welche die Grundlage der oberslawonischen oder »windischen« Grenze mit Warasdin als Vorort ausmachten, während ihr zur Seite sich die »krabatische« oder kroatische Grenze seit 1578–80 mit Karlstadt als Vorort ausbildete. Beide standen unter dem innerösterreichischen Hofkriegsrat zu Graz, und die Grenzer Militärbauern erhielten von König Rudolf II. Steuerfreiheit zugestanden gegenüber der Verpflichtung, das Land gegen die Türken zu verteidigen. 1627 wurde die Karlstadter Grenze von den krainischen und kärntnerischen Ständen übernommen und 1630 dem Warasdiner Generalat die erste eigentliche Verfassung gegeben, 1658 ein Generalamtsverwalter für das Karlstadter bestellt. Neue Ankömmlinge und Angeworbene schlossen sich diesen Ansiedlern an, so daß nach dem Karlowitzer Frieden 1699 drei Grenzgeneralate, das Karlstadter, Warasdiner und Banat-Grenzgeneralat, entstanden. Das im Süden der Karlstadter Grenze 1689 eroberte Land, Likka, Krbava und Zvonigrad, wurde 1712 ebenfalls der Militärverwaltung unterstellt, wodurch die Karlstadter Grenze ihren Abschluß erhielt. Unter Leopold I. organisierte Marsigli 1702 aus den längs der Save, Theiß und Maros gelegenen Gegenden[818] die Slawonische Grenze unter der Verwaltung des Hofkriegsrats und der kaiserlichen Kammer in Wien. Diese Slawonische Grenze erfuhr 1747 eine Verminderung durch Verschmelzung eines beträchtlichen Teiles derselben mit Ungarn. Zur Sicherung des Kordons gegen die Türkei in den Grenzplätzen von Slawonien und Syrmien, der jetzt weniger die Einfälle der Türkei als das Eindringen der Pest und den Schmuggelhandel abzuwehren hatte, wurde 1747 ein schon früher aufgestelltes Bataillon Tschaïkisten erhalten und 1763 in den Landstrich zwischen der Donau und Theiß (bei Titel) versetzt. Um diese Zeit wurde durch Buccow und Hadik die siebenbürgische Grenze errichtet und zwar 1764 die Szekler Grenze, 1766 die walachische. 1770–87 wurde der Militärgrenzgürtel abgeschlossen und das Kantonsystem eingeführt, und 1807 erhielt die M. ein Grundgesetz, das die Kriegspflicht der Bauern und deren Abgabenfreiheit neuerdings festsetzte. Nach den unglücklichen Ergebnissen des Wiener Friedens 1809, durch den die westliche Hälfte der M. an Frankreich fiel, um einen Teil Illyriens zu bilden, vereinigte der Pariser Friede 1814 die Grenzländer wieder mit der österreichischen Monarchie. Dieselben bildeten staatsrechtlich einen Teil des ungarischen Reiches und des Großfürstentums Siebenbürgen, waren aber nach Verfassung und Verwaltung gänzlich von denselben getrennt. Eingeteilt war die M. in vier voneinander unabhängige, unter dem Hofkriegsrat stehende Generalkommandos oder Generalate als höchste Behörden, unter denen die Regimentskommandos standen, die auch die politisch-ökonomischen und Justizgeschäfte besorgten. Die vier Generalate waren: das kroatische, das slawonische, das Banater oder ungarische und das siebenbürgische. 1848 wurde die M. anfangs unter die Botmäßigkeit des ungarischen Ministeriums gestellt und sollte 15 Deputierte in den Reichstag senden, schloß sich aber dann dem Kampf gegen die ungarische Insurrektion an und half ihn siegreich beendigen. Zum Lohn für die bewiesene Treue der Grenzer auf den Schlachtfeldern Italiens und Ungarns wurde das Grenzgebiet durch die Reichsverfassung von 1849 zu einem eignen Kronland erklärt und erhielt 7. Mai 1850 ein neues Grundgesetz mit wichtigen Vorteilen für das Land und seine Bewohner und einer neuen Einteilung in drei Administrativgebiete. Nachdem aber schon 1851 die siebenbürgische M. aufgehoben und die Serbisch-Banatische Grenze (früher auch die Syrmische genannt) 1. Nov. 1872 Ungarn einverleibt worden war, wurde, einem oft geäußerten Verlangen Ungarns entsprechend, 15. Juli 1881 die Kroatisch-Slawonische Grenze mit Kroatien vereinigt. Durch die Einführung des Wehrgesetzes wurde der letzte Rest der alten Institution beseitigt; ebenso wurden die Rechtsverhältnisse der Hauskommunion (s. d.) fast gänzlich aufgehoben. Vgl. Utiesenovič, Die M. und deren Verfassung (Wien 1861); Vaniček, Spezialgeschichte der M. (1875, 4 Bde.); Schwicker, Geschichte der M. (Teschen 1883).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 13. Leipzig 1908, S. 818-819.
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