Milz [1]

[849] Milz (Lien, Splen), eine große Lymphdrüse, in der die Bildung von Lymphzellen (farblosen Blutkörperchen) erfolgt, die jedoch nicht wie bei den eigentlichen Lymphdrüsen durch die Lymphgefäße in die Venen übergeführt werden, sondern direkt in die Blutbahn eintreten. Mit Ausnahme der Leptokardier kommt sie bei allen Wirbeltieren vor, und zwar häufig in der Nähe des Magens. Beim Menschen (s. Tafel »Eingeweide I«, Fig. 1, und Tafel II, Fig. 6) liegt sie links dicht unter dem Zwerchfell, wird von einem Teil des Bauchfelles überzogen und durch letzteres teils an das Zwerchfell, teils an den Magengrund angeheftet. Sie ist blaurot bis bräunlichrot, weich, halb-eiförmig, beim erwachsenen Menschen 14 cm lang, 8 cm breit, 3 cm dick und etwa 250 g schwer. Nicht selten hängt am untern Ende oder an der innern Fläche der M. noch die kleinere, kirschengroße, runde Nebenmilz, und bisweilen kommt eine ganze Reihe solcher Nebenmilzen vor. Außen ist die M. mit einer derben Faserhaut (Milzkapsel) überzogen. Von ihrer Innenfläche und den Gefäßscheiden gehen zahlreiche Fortsätze aus, die sich untereinander verbinden und so ein festes Gerüstwerk (stroma) bilden, in dessen Zwischenräumen sich das eigentliche Drüsengewebe, die Milzpulpa, befindet. Letztere, eine weiche rotbraune Masse, besteht aus einem sehr zarten bindegewebigen Netzwerk und den in den Maschen desselben[849] liegenden Blut- und Lymphzellen, ferner aus sehr seinen Kapillaren, in die sich die Arterien der M. auflösen, und aus denen die Venen hervorgehen. Außerdem finden sich in der Pulpa noch an kleinen Arterienzweigen sitzende besondere Lymphschläuche, die Milzfollikel, -Bläschen oder -Körperchen (Malpighische Körperchen, corpuscula lienis s. Malpighii), weißliche, 0,5–1 mm große Bläschen. Lymphgefäße besitzt die M. nur wenig; ihre Nerven stammen vom sogen. Milzgeflecht des Sympathikus.

Über die physiologischen Leistungen der M. ist wenig Sicheres bekannt. Am meisten begründet ist die Ansicht, daß sie eine Bedeutung für die Blutbildung habe. Die sogen. weißen Blutkörperchen oder Lymphkörperchen entstehen in ihr in großer Menge und werden durch den Lymphstrom, wahrscheinlich auch durch den Blutstrom fortgeführt. Auch rote Blutkörperchen sollen in der M. gebildet werden; manche Beobachtungen sprechen aber auch für einen Untergang roter Blutkörperchen in der M. Die M. zeigt, wie man durch genaues Studium bei Tieren nachgewiesen hat, Veränderungen ihrer Größe, die teilweise von Schwankungen in der Blutfülle abhängen, teilweise aber auch durch selbständige Zusammenziehung der in der M. enthaltenen Muskelfasern bedingt sind. In manchen Krankheiten, besonders infektiösen (Malaria, Typhus), nimmt die Größe der M. erheblich zu (Milzschwellung, Milztumor, Fiebermilz); Chinin und andre Arzneimittel können diese Volumenzunahme beseitigen. Bei Tieren wie bei Menschen kann man die M. operativ entfernen, ohne daß irgendwelche merkliche Störungen der Gesundheit eintreten. Ihre vorläufig noch dunkle Funktion muß also durch die stellvertretende Tätigkeit andrer Organe ersetzbar sein. Man hat in dieser Beziehung an die Lymphknoten und an das in erster Linie als Bildungsstätte von Blutkörperchen bekannte Knochenmark gedacht. Über die Erkrankungen der M. s. Milzkrankheiten. – Aus tierischer M. hergestellte Präparate, wie Tabulettae lienis und Linadin, ein seines, dunkles, in Wasser unlösliches, fast geruchloses, nach Lebertran schmeckendes Pulver, werden bei Anämie, Chlorose, Malariakachexie, Leukämie, Skrofulose benutzt.

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Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 13. Leipzig 1908, S. 849-850.
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