Panzerzüge

[379] Panzerzüge, gepanzerte Eisenbahnzüge, die sich in Transvaal im Gegensatze zu ihrem frühern Auftreten 1862 bei Alexandria und 1871 bei Paris und Amiens von großem Nutzen gezeigt haben. P. können beim Vormarsch der Truppen zu Erkundungszwecken oder bei Ausfällen jenen auf den Gleisen der Landeseisenbahnen folgen. Sie sollen dann diesen Truppen für den Fall des Gefechts einen Rückhalt geben. Es handelt sich mithin um Unterbringung einer größern Infanterieabteilung in dem Panzerzug, den man in der Regel an der Spitze mit einem leichten Schnellfeuergeschütz ausrüstet. Solche P. dienen auch zum Transport von Munition, Lebensmitteln etc. durch ein aufständisches oder nicht genügend besetztes Gelände, wobei die Begleitmannschaft in Panzerwaggons gesichert untergebracht wird. In dieser Weise wurden die P. bei Mafeking, Kimberley etc. benutzt. Bei der Verteidigung großer Waffenplätze, welche die Werke ihrer Gürtellinie durch eine Ringbahn verbunden haben, werden P. Verwendung finden und ebenso auf Radialstraßen mit Schienengleisen zum Heranziehen von Verstärkungen aus der Kernbefestigung. Bereitgestellte P. können solche dann nach jedem Punkte der Verteidigungslinie befördern, was besonders für schwere Lasten (Geschütze) von Wert ist. P., wie sie in Transvaal gebraucht wurden (s. Abbildung, S. 380), bestehen aus einer starken Maschine (bei der auch die obere Hälfte der Räder durch Panzerplatten geschützt ist) nebst Tender und drei Wagen von 20 Tons. Letztere, die etwa eine Kompanie aufnehmen können, sind auf allen Seiten von leichten Stahlplatten mit Schießscharten umgeben, während der Wagen meist oben offen ist, um das Licht einzulassen. Ein ähnlicher Zug mit Panzerplatten aus der Grusonschen Fabrik wurde von den [379] Verkehrstruppen auf der Militäreisenbahn (Berlin-Kummersdorf) versucht. Auch bei diesem ist in einem besondern Wagen vor der Lokomotive ein Maschinengewehr mit Bedienungsmannschaft gesichert untergebracht. Dasselbe kann, auf einem Pivotgestell ruhend, nach drei Seiten hin feuern. Handelt es sich um Mitwirkung bei der Festungsverteidigung, so werden die P. in der Regel nur aus einer fahrbaren kleinen Panzerbatterie mit Geschützen größern Kalibers bestehen, die durch eine Lokomotive an ihren Bestimmungsort geschoben wird. Einen solchen Panzerzug brachten die Franzosen in der Schlacht am Mont-Valérien auf dem Schienenwege, der am Fuße des Berges an der Seine entlang gegen St.-Germain führt, gegen das Plateau St.-Michel vor. Derselbe wurde aber durch wenige Schüsse einer leichten Batterie zur Rückkehr gezwungen, weil Schienen beschädigt waren. Die Schienengleise und die für die Tätigkeit der Geschütze auf Panzerzügen bestimmten Stellen bedürfen event. der Sicherung durch Erdaufwürfe. Die Geschosse können schon bei kleinem Kaliber den Panzerzügen gefährlich werden, die heutige Artilleriewirkung wird ihre Benutzung oft unmöglich machen.

Panzerzug in Transvaal.
Panzerzug in Transvaal.

Die Panzerplatten können nicht so stark gemacht werden, daß sie dem direkten Artillerieschuß widerstehen, und das Innere der oben offenen Wagen ist gegen Schrapnellfeuer und Brisanzgranaten, namentlich der Steilbahngeschütze, nicht geschützt. Somit wird die Verwendbarkeit der P. in ihrer jetzigen Beschaffenheit da, wo sie der Artilleriewirkung ausgesetzt sind, beschränkt sein, jedoch können sie in erstgedachter Art immerhin gute Dienste leisten, vor allem, wenn die feindliche Artillerie auf schwachen Füßen steht. Auch bei der Bekämpfung des Aufstandes in Deutsch-Südwestafrika hat im Januar 1904 ein Panzerzug für den Entsatz von Okahandja gute Dienste geleistet. Allgemein scheint man jetzt der Frage der Einführung von Panzerzügen näher zu treten. Auch die russische Regierung soll gepanzerte Eisenbahnwagen bauen lassen.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 15. Leipzig 1908, S. 379-380.
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