Provence

[402] Provence (spr. -wāngß', lat. Provincia), ehemalige Provinz im südlichen Frankreich, mit der Hauptstadt Aix, zerfiel in die Oberprovence oder den nördlichen Teil und die Niederprovence oder den südlichen Teil und bildet jetzt die drei Departements Rhonemündungen, Var und Niederalpen; ein Teil ist zum Depart. Vaucluse, ein andrer zu dem der Seealpen geschlagen; s. die Geschichtskarte von Frankreich (Bd. 6. S. 873). Die Bewohner der P., die Provenzalen, sprechen eine eigne romanische Mundart (s. Provenzalische Sprache und Literatur). – Die Ureinwohner der P. waren die Sallusier, ein ligurischer Volksstamm. Diese wurden 123 v. Chr. vom Konsular Sextius den Römern völlig unterworfen; so wurde Südgallien nach und nach zur römischen Provinz und erhielt den Namen Provincia im Gegensatz zu dem freien Gallien. Doch umfaßte die damalige gallische Provincia, unter Augustus offiziell Gallia Narbonnensis benannt, nicht bloß die jetzige P., sondern auch Languedoc, das Dauphine und Savoyen. Nachdem der größte Teil von Languedoc 415 von den Westgoten, das Land vom Genfer See bis gegen die Durance (das heutige Dauphiné) von den Burgundern (seit 443) eingenommen worden war, beschränkte sich der römische Besitz und zugleich der Name Provincia auf das Land zwischen der Durance und dem Mittelmeer, das den Römern um 470 durch die Westgoten entrissen wurde. Unter Theoderich d. Gr. wurde die P. ein Teil des ostgotischen Reiches. 536 trat sie der ostgotische König Vitiges dem fränkischen König Theodebert ab. Unter der Regierung der spätern Merowinger wurde sie zum Teil die Beute der Sarazenen, bis Karl Martell deren Herrschaft ein Ziel setzte. Beim Verfall des Frankenreichs wurde sie 879 dem niederburgundischen oder zisjuranischen Königreich einverleibt, 933 mit dem transjuranischen Königreich zum Reich Arelat vereinigt, und 1032 fiel sie an Deutschland (s. Burgund). Im Besitz des größten Teiles der P. waren aber die Grafen von Arles, die daher auch Grafen von P. hießen und in geringer Abhängigkeit von den Königen standen. Als ihr Mannesstamm 1112 erlosch, fiel ihr Land durch Erbschaft an den Grafen Raimund Berengar von Barcelona. Unter dem Schutze der barcelonischen Grafen entwickelte sich die Blüte der provenzalischen Dichtkunst. Der Mannesstamm der Grafen von Barcelona erlosch 1245 mit Raimund Berengar IV., dessen Tochter Beatrix die P. ihrem Gemahl Karl von Anjou, Ludwigs des Heiligen Bruder, zubrachte. Die Erben derselben besaßen dieses Land bis 1382, wo Johanna I. den Herzog von Anjou, Ludwig I., den Bruder des französischen Königs Karl V., als ihren Adoptivsohn zum Erben ihrer sämtlichen Besitzungen einsetzte. Von dessen letztem Abkömmling, Karl III., der keine Kinder hatte, wurde Karl VIII., Sohn Ludwigs XI., damals Dauphin, zum Erben eingesetzt, der 1487 die P. mit der Krone Frankreich vereinigte. Vgl. Papon, Histoire générale de la P. (Par. 1777–86, 4 Bde.); [402] Merey, Histoire de la P. (das. 1830, 2 Bde.); Garcin, Dictionnaire historique et topographique de la P. (Draguignan 1833, 2 Bde.); Leuthéric, La P. maritime ancienne et moderne (Par. 1879); Castanier, Histoire de la P. dans l'antiquité (Marseille 1893–96, nur Bd. 1 u. 2); Ch. de Ribbe, La société provençale à la fin du moyen-âge (Par. 1897); Bérenger-Ferauld, Les Provençaux à travers les âges (das. 1899); Kiener, Verfassungsgeschichte der P. 510–1200 (Leipz. 1900); Poupardin, Le royaume de P. sous les Carolingiens 855–933 (Par. 1901); Oddo, La P., histoire, usages, coutumes, idiomes (das. 1902).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 16. Leipzig 1908, S. 402-403.
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