[729] Sphinx, Name von Steinbildern in Löwengestalt mit Menschenkopf, stehend oder auf einem Sockel liegend, die Vorderbeine vorwärts gestreckt, die Hinterbeine untergeschlagen. Das Fabeltier des (männlichen) S. ist wohl in Ägypten heimisch, wo es als Verkörperung der königlichen Macht galt, und wo man es daher auch liebte, die Könige in der Gestalt eines S. darzustellen; man verlieh dann dem menschlichen Kopfe die Porträtzüge des Herrschers. Der S. trägt demgemäß auch das dem Könige eigentümliche gefältelte Kopftuch und an der Stirn sein Abzeichen, die Uräusschlange. Auch Sphinxe in Gestalt von Löwen mit Sperberköpfen kommen als Verkörperungen des Königs in Ägypten vor. Am berühmtesten ist der bei den Pyramiden von Gizeh gelegene S., der aus dem Felsen gehauen ist und eine Hohe von 20 m bei einer Länge von 57 m besitzt (s. Tafel »Architektur I«, Fig. 1); er stammt vielleicht noch aus vorgeschichtlicher Zeit und ist das älteste Denkmal auf dem Totenfelde von Memphis; neuerdings hat man ihn auch für ein Bild des Königs Amenemhet III. aus der 12. Dynastie gehalten; die Ägypter der spätern Zeit halten ihn für ein Bild des »im Horizont befindlichen« Sonnengottes Horos, des Harmachis (s. Horos). Wiederholt ist der S. von Gizeh aus dem Wüstensand ausgegraben worden, zuletzt 1886 durch Maspero. Bei vielen Tempeln führten Alleen von Sphinxen zu dem Eingangsgebäude. Auch in der assyrischen Kunst findet sich der S. als Hüter des Tempeleingangs (Palast zu Nimrud und Portal von Chorsabad). Mannigfaltiger nach Gestalt und Bedeutung erscheinen die Sphinxe in Griechenland, wo sie immer als weibliche Gestalten aufgefaßt werden.
Ursprünglich ein geflügelter Löwenkörper mit Kopf und Brust einer Jungfrau (s. Abbildung), wurden sie später von Dichtern und Künstlern in den abenteuerlichsten Gestalten dargestellt, z. B. als Jungfrau mit Brust, Füßen und Krallen eines Löwen, mit Schlangenschweif, Vogelflügeln, oder vorn Löwe, hinten Mensch, mit Geierkrallen und Adlerflügeln, und zwar nicht immer liegend, sondern auch in andern [729] Stellungen. Berühmt ist die thebaische S. im böotischen Mythus, Tochter des Typhon und der Schlange Echidna, die jedem, der ihr nahte, das Rätsel aufgab: »Welches Geschöpf geht am Morgen auf vier Füßen, am Mittag auf zweien, am Abend auf dreien?« Wer es nicht losen konnte. mußte sich vom Felsen in den Abgrund stürzen. Ödipus deutete es richtig auf den Menschen, worauf sich die S. vom Berge herabstürzte. Von der griechischen Kunst aus der ägyptischen und orientalischen frühzeitig übernommen und eigentümlich (immer weiblich) umgebildet, galt hier die S. als Sinnbild des unerbittlichen Todesgeschicks und ward daher auf Gräbern oft dargestellt (vgl. Bachofen, Gräbersymbolik der Alten, Bas. 1859). Auch an altchristlichen Kirchen kommen die Sphinxe manchmal vor. Wieder angewendet wurden sie von der Spätrenaissance, insbes. häufig aber von der Barockkunst, die mit denselben Eingänge zu Palästen, Gärten u. dgl. verzierte. Vgl. Ilberg, Die S. in der griechischen Kunst und Sage (Leipz. 1896).