Suggestion

[190] Suggestion (lat., »Eingebung«), ursprünglich nach der schottischen Psychologenschule (Th. Brown u. a.) die Erweckung von Vorstellungen durch andre Vorstellungen, dann nach Braid Bezeichnung für gewisse Vorgänge in der Hypnose (s. Hypnotismus) Allgemeiner wurde diese Bedeutung in neuerer Zeit durch die französischen Arbeiten über Hypnose, besonders[190] durch Liébeault, Bernheim in Nancy und Delboeuf in Lüttich; doch wird schon bei Brandis (»Über psychische Hellmittel und Magnetismus«, Kopenh. 1818) das Wort S. in dem heutigen Sinne gebraucht. Unter S. versteht man einen Vorgang, bei dem ein Erfolg dadurch eintritt, daß man die Überzeugung von dem Eintritt des Erfolges einer Person einpflanzt. Wenn man einem jungen Mädchen recht lebhaft versichert, daß es erröte, so errötet es sehr leicht; wenn man jemand versichert, daß er bald eine Schluckbewegung machen werde, so tritt diese ein etc. Die Vorstellung kann wie in den beiden Beispielen von einem Fremden (Fremd- oder Heterosuggestion) angeregt werden, aber auch durch lebhaftes Denken (Autosuggestion) zustande kommen. Besonders ausgeprägt ist die Suggestibilität, die Empfänglichkeit für S., im hypnotischen Zustand. Auf Suggestionen in diesem Zustand (Handlungen, Sinnestäuschungen), die erst nach dem Aufhören desselben zur Geltung gelangen (posthypnotische S.), beruht häufig die Anwendung der S. in der Heilkunst (Suggestivtherapie, Psychotherapie). Der Arzt wirkt oft lediglich durch seine Gegenwart, durch Zureden, durch Erweckung einer Überzeugung (direkte S.; hierauf beruhen auch viele Erfolge von Kurpfuschern), manche vielgerühmte Kur, manches Arzneimittel wirkt durch S. (Wachsuggestion im Gegensatz zur hypnotischen S., indirekte S.), wie auch die Heilungen an sogen. wundertätigen Quellen hierher gehören. Für den Arzt ist es oft schwer, bei Prüfung einer neuen Heilmethode die Suggestivwirkung auszuschließen. Ob man durch S. pädagogisch wirken kann, steht dahin. Hypnotisierten Personen kann man suggerieren, nach dem Erwachen ein Verbrechen auszuführen. Dies gelingt indes vielleicht nur bei Personen, die des Verbrechens auch ohne suggestive Einwirkung fähig gewesen wären. Die Theorie der S. hat in neuerer Zeit manche Klärung gefunden. Man darf annehmen, daß, wenn man bei jemand eine Vorstellung erweckt, diese Vorstellung an sich eine gewisse Neigung hat, sich zu verwirklichen. Aber Hemmungsvorstellungen verhindern häufig die Verwirklichung der Suggestionen. Trotzdem reichen mitunter die Hemmungen nicht hin, den Eintritt zu verhindern. und am wenigsten genügen die Hemmungen hierzu im Zustande der Hypnose. Die Empfänglichkeit für Suggestionen, die auch während des normalen Lebens besteht, ist besonders in der Hypnose gesteigert, aber auch bei gewissen Geisteskrankheiten. So kann man bei Leuten, die an Säuferwahnsinn leiden, durch die Versicherung, daß sie eine Maus sehen od. dgl., sehr leicht die entsprechende Sinnestäuschung erzeugen. Vgl. Schrenck-Notzing, Über S. und suggestive Zustände (Münch. 1893); Drucker, Die S. und ihre forensische Bedeutung (Wien 1893); Benedikt, Hypnotismus und S. (das. 1894); Stoll, S. und Hypnotismus in der Völkerpsychologie (2. Aufl., Leipz. 1904); Bernheim, Suggestive therapeutics (2. Aufl., Lond. 1890; deutsch, 2. Aufl., Wien 1896); Bechterew, Die Bedeutung der S. im sozialen Leben (Wiesbad. 1905); Binet, La suggestibilité (Par. 1900), und die Literatur bei Artikel »Hypnotismus«.

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Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 19. Leipzig 1909, S. 190-191.
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