Tamanakische Sprache

[221] Tamanakische Sprache, die Sprache der Tamnaques, eines Indianerstammes in der Südamerikanischen Republik Venezuela; sie ist mit der Karaibischen nahe verwandt, hat kein f, s u. g, selten b u. d; l u. r wird oft verwechselt. Abstracte Substantiva werden durch die Endungen te. vate gebildet, z.B. cheictivate Größe. Der Pluralis wird durch die Endungen mo, ptui u. c-ne gebildet. Die Casus werden durch nachgesetzte Partikeln ausgedrückt, der Genitiv durch seine Stellung vor das ihn regierende Wort. Das Genus wird nicht bezeichnet. Die Personalpronomina sind: ure ich, amare du, macche er, jumna wir, amgnamòro ihr, mucchiamo sie. Die Possessiva werden durch Prä- u. Suffixe bezeichnet, welche verschieden sind, je nachdem das Wort mit einem Vocal od. Consonant anfängt. Für die 1. Pers. Plur. gibt es drei verschiedene Formen, je nachdem sie blos den Redenden u. Angeredeten, od. eine Mehrheit mit Einschluß des Angeredeten od. mit Ausschluß desselben bezeichnet. Derselbe Unterschied findet auch in der Conjugation der Verba Statt. Es gibt sechs verschiedene Conjugationen u. viele Tempora; im Präsens wird die einmalige Handlung von der Gewohnheit unterschieden, im Präteritum ist die Form verschieden, je nachdem etwas gestern, vor 1–2 Wochen, vor 1–6 Monaten od. noch früher geschehen ist. Noch sind die Formen verschieden, je nachdem von einem nahen od. entfernten Gegenstande die Rede ist. Das Passivum wird durch das Verbum uocciri, sein, gebildet. Außerdem gibt es noch Formen für Frequentativa, Causalia etc. Statt der Präpositionen gibt es Postpositionen. Die Wörter, welche Verwandtschaftsgrade ausdrücken, sind verschieden, je nachdem sie von Männern od. Frauen gebraucht werden; so sagt z.B. ein Mann: luì mein älterer Bruder; jacomnòne mein jüngerer Bruder; eine Frau aber: pipi mein[221] Bruder etc. Der Anfang des Vaterunsers lautet: jumna imu, capyave manechi, avegeti ambucterè temgiarè, d.h. Unser Vater, Himmelin der, deinen – Namen erkennen – mögen Alle. Grammatik in Gilij Saggio di storia americ., III. 176 ff.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 17. Altenburg 1863, S. 221-222.
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