[330] Gewohnheit (Consuetudo, Mos), die in öfterer Wiederholung begründete Bestimmung zu einer Verrichtung od. Handlung; sie übt eine verbreitete Gewalt im Leben aus, daher man sagt, G. ist die andere Natur (Consuetudo est altera natura.) Die christliche Ethik erinnert daran, daß die Macht der G. sehr groß ist, daß sie oft mit Trägheit, Stolz u. Eigennutz sich verbindet u. daß sie dem Fortschritt in der wahren Vollkommenheit oft hemmend in den Weg tritt. Alle Erziehung geht darauf aus, Kinder zu dem, was ihnen zu ihrem Heil gereicht, durch G. zu leiten u. bösen G-en Einhalt zu thun. Auf Gewöhnung, aber auch Entwöhnung, eben so auf Verwahrung gegen Verwöhnung kommt im physischen, wie im moralischen Leben viel an. In rechtlicher Hinsicht kommt die G. in Betracht theils als Erscheinungsform für das Gewohnheitsrecht (s.d.), theils für das Gebiet des Criminalrechts als ein besonderer Erschwerungsgrund der Strafbarkeit, wenn Jemandem die Verübung eines Verbrechens zur G. geworden ist. Früher wurde die G. in dieser Beziehung zuweilen sogar als Strafmilderungsgrund aufgefaßt, indem man sie als eine eingetretene Beschränkung der freien Selbstbestimmung betrachtete Allein dies kann nur da angenommen werden, wo die G. auf einer krankhaften physischen od. psychischen Disposition, wie z.B. öfter bei Epileptischen, beruht. Wo sich dies nicht nachweisen läßt, gilt die G., gleich dem Rückfall, als eine Erschwerung. Manche neueren Strafgesetze zeichnen gewisse Arten von Verbrechen, wenn sie zur G. geworden sind, als besondere Verbrechen unter dem Namen von Gewohnheitsverbrechen aus u. drohen für sie eigene Strafen an, welche den Gewohnheitsverbrecher nicht blos strafen, sondern zugleich möglichst unschädlich machen sollte. Die Strafe steigt[330] daher hier zuweilen bis zu lebenslänglichem Zuchthaus, wie namentlich bei Gewohnheitsdieben u. Gewohnheitsbetrügern, od. es wird doch neben kürzerer Freiheitsstrafe zugleich auf längere Stellung unter polizeiliche Aufsicht, wie bei den Gewohnheitsraufen, erkannt.