Adel

[22] Adel ist diejenige Standeseigenschaft einer Person, vermöge deren ihr besondere, durch Gesetz, Herkommen oder Landesverfassung bestimmte Vorrechte vor andern Staatsbürgern blos persönlich oder als erbliche Geschlechtsvorzüge zugestanden werden; auch bezeichnet man mit diesem Worte alle Die, welche sich im Besitze jener Standeseigenschaft befinden. Wird Jemandem der Adel als Belohnung seiner Verdienste ertheilt, so heißt er persönlicher oder Verdienstadel; gründet sich die Erwerbung auf die Geburt in einer durch adelige Ältern gesetzmäßig eingegangenen Ehe (denn durch Annahme an Kindesstatt oder Anerkennung durch nachfolgende Ehe wird er nicht schlechterdings und durch Ehelichmachung mittels Rescripts des Fürsten gar nicht erlangt), so nennt man ihn Geburts- oder Erbadel. Gegen diesen letztern und seine in Anspruch genommenen Vorrechte haben sich namentlich zur Zeit der franz. Revolution in Frankreich und später auch in Deutschland viele Stimmen erhoben; dort ward der Erbadel 1789 ganz abgeschafft und hier seine Vorrechte sehr beschränkt, wodurch die Gleichheit mit den übrigen Ständen, und namentlich die Zuziehung des Adels zu den öffentlichen Lasten sehr gefödert wurde. Hinsichtlich des Verhältnisses, in welchem der Geschlechtsadel in [22] Deutschland zu Kaiser und Reich stand, gab es einen unmittelbaren und mittelbaren oder landsässigen Adel. Durch die 1806 erfolgte Auflösung des deutschen Reichs verlor der unmittelbare seinen Oberherrn, den Kaiser, ein Theil von ersterm kam unter keine neue Hoheit und wurde souverain, trat mithin ganz aus dem Adel heraus; der andere Theil des unmittelbaren Reichsadels wurde landsässig, mediatisirt und kam unter die Hoheit eines neuen Herrn. Die ebenangeführte Eintheilung ist also jetzt nur noch geschichtlich merkwürdig. In Ansehung der Vorzüge gibt es einen hohen und niedern Adel; vor Aufhebung des deutschen Reichs gehörten zu ersterm alle Diejenigen, welchen Reichsunmittelbarkeit, Reichsstandschaft und Landeshoheit zukam, ohne daß der Grafen- oder Fürstentitel ein entscheidendes Merkmal abgegeben hätte. Nach Artikel 14 der deutschen Bundesacte rechnet man immer noch Die zum hohen Adel, welche früher dazu gehörten, auch wenn sie mediatisirt sind, und dann gewöhnlich Standesherren genannt werden. Außer gewissen Vorrechten, welche die Bundesacte solchen Standesherren ertheilt, ist jene Bestimmung besonders bei Festsetzung des Begriffs der Mißheirath von Bedeutung. Zum niedern Adel gehören alle Diejenigen, welche im Mittelalter Ritterbürtige, Schildbürtige, Schildgeborne genannt wurden, jetzt alle übrigen Adeligen, mit Inbegriff der sonst unmittelbaren Reichsritterschaft, insofern nicht Einzelne derselben nach dem Angeführten, dem hohen Adel noch beigezählt werden. Zur Zeit des deutschen Reichs gab es fünf Klassen desselben: Freiherren oder Barone, Edle Herren oder Bannherren, Ritter des röm. Reichs, Edle von, auf oder zu, und gemeine Adelige; jetzt unterscheidet man nur Grafen, Freiherren und einfache Adelige.

Der hohe Adel wurde von den frühesten Zeiten an durch kais. oder kön. Gnadenbriefe ertheilt und späterhin erst erblich; den niedern Adel erwarb man anfänglich weder durch Geburt noch Gnadenbriefe, sondern durch eine fortwährend rittermäßige Lebensart. Der auf diese Weise erlangte und erblich gewordene Adel heißt Uradel, im Gegensatze des Brief- oder Bullenadels, dessen Ertheilung unter Kaiser Karl IV. Regierung zuerst in Deutschland vorkommt. Bei neuen Verleihungen durch einen Adelsbrief geht die Standeserhebung auf die bereits vor der Ertheilung desselben geborenen Kinder nicht über, wenn ihrer nicht besondere Erwähnung geschieht.

Die Vorrechte des Adels sind entweder persönliche oder dingliche. Zu erstern gehören noch in mehren deutschen Staaten: Freiheit von vielen Abgaben, Entbindung von mehren gesetzlichen Vorschriften über Trauung und Taufe, härtere Bestrafung der an ihnen begangenen Injurien, das Wappenrecht (letzteres jedoch nicht ausschließlich, indem auch bürgerliche Familien erbliche Wappen haben können), Schrift- oder Canzleisässigkeit, d.h. das Recht, nur unter den höchsten Behörden des Landes zu stehen und daselbst Recht zu nehmen und zu geben. Zu den dinglichen Vorrechten rechnet man diejenigen, die auf den Rittergütern ruhen, z.B. Steuerfreiheit, Befreiung von Einquartierung, Jagdgerechtigkeit u.s.w. Um den Glanz adeliger Familien zu erhalten, dürfen öfters gewisse Güter von dem jedesmaligen Besitzer nicht veräußert oder mit Schulden belastet werden, sondern müssen immer auf ein bestimmtes Glied der Familie durch Erbgang fallen, sie heißen Familienfideicommisse. Die Ordnung, nach welcher sie vererbt werden, ist in der Regel bei der Errichtung genau vorgeschrieben und gewöhnlich die des Majorats, der Primogenitur und des Seniorats. Zum Beweise alten Adels wird die Ahnenprobe (s. Ahnen) erfodert, z.B. bei Erwerbung von gewissen Ämtern, Pfründen, Orden und besonders früher zur Turnierfähigkeit. – Der Adel geht verloren durch ein Strafurtheil, welches Ehrlosigkeit und den Verlust des Adels ausspricht, ferner durch freiwilliges Aufgeben desselben, oder stillschweigend durch Betreibung bürgerlicher Gewerbe (nicht aber durch Großhandel) und durch Verheirathung einer Adeligen an einen Bürgerlichen. Die Erneuerung eines lange Zeit nicht gebrauchten Adels geschieht durch den Regenten nach dem Beweise, daß der Adel weder aufgegeben noch verloren worden sei.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 22-23.
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