[65] Ameisen (die), werden zu denjenigen Insekten gerechnet, welche häutige durchsichtige Flügel haben, obgleich einige unter ihnen flügellos sind und andern die Flügel wenigstens zu manchen Zeiten fehlen.
Hinsichtlich ihres äußern Baues sind sie den Bienen ähnlich, indem, wie bei diesen, der Hinterleib durch einen oder zwei Knoten mit dem Vorderleibe verbunden ist. Am Kopf haben sie zwei knieförmig gebogene Fühlwerkzeuge, große Augen und meist große Kinnladen. Sie leben in zahlreichen Gesellschaften und jede Gesellschaft besteht in der Regel nur aus einer Art, aber aus dreierlei Individuen, nämlich aus Männchen und Weibchen, welche große lange Flügel haben, und aus sogenannten Geschlechtslosen, die aber nichts anderes als Weibchen mit nicht ausgebildeten Geschlechtstheilen sind. Der Bau und die Einrichtung ihrer Wohnungen, der sogenannten Ameisenhaufen, ist sehr verschieden. Die europ. und namentlich die deutschen Ameisen legen sie meist in der Erde an oder in alten Bäumen, die sie nach allen Seiten durchhöhlen; auch bedecken sie ihre Haufen öfters mit Holzstückchen, dürren Blättchen, Knospen u.s.w. Die Männchen sind kleiner als die Weibchen und begatten sich mit diesen fliegend an heißen Sommertagen. Nach der Begattung sterben die Männchen; die Weibchen aber verlieren ihre Flügel oder reißen sich solche selbst ab und bilden neue Gesellschaften. Manche indeß kehren zu ihren alten Wohnungen zurück, werden hier ihrer Flügel beraubt und dadurch genöthigt, der Wohnung zu bleiben und ihre Eier abzulegen, welche die Gestalt kleiner länglicher Körnchen haben. Aus ihnen gehen fußlose Larven oder Maden hervor, die sich dann entweder mit seidenartigen Hüllen von länglicher, an beiden Enden abgerundeter Form umspinnen, welche man gewöhnlich Ameiseneier nennt, oder auch ohne diese bleiben und sich später in eine sogenannte Nymphe verwandeln.
Die Geschlechtslosen, welche allen Arbeiten obliegen, unterscheiden sich von den andern nicht blos durch den Mangel der Flügel, sondern auch durch den größern Kopf, stärkere Kinnladen und längere Füße, was sie für ihre Bestimmung geeigneter macht. Sie haben den Bau der Wohnungen und die Auferziehung der Jungen zu besorgen; auch sammeln sie die Vorräthe ein und benehmen sich dabei auf bewundernswerthe Weise verständig. Geschickt wissen sie einander irgend eine Entdeckung dadurch mitzutheilen, daß sie sich mit ihren Fühlhörnern betasten, suchen dann mit vereinten Kräften die ihnen aufgestoßenen Hindernisse zu beseitigen, unterstützen einander beim Tragen schwerer Gegenstände, theilen auch wol dieselben in kleine Stücke, die sie dann einzeln nach der Wohnung tragen. Die vorzüglichste Sorge der Geschlechtslosen sind die Jungen, die sie im Larven-und Nymphenzustande nicht blos füttern, sondern auf die zärtlichste Weise pflegen. Sie befreien die Nymphen von ihrer Umhüllung und sind emsig bemüht, daß die geflügelten Männchen und Weibchen nicht zu früh die Wohnung verlassen. Auch vertheidigen sie ihre Schützlinge gegen ihre Feinde, selbst gegen Menschen, wozu den größern Arten ihre starken Kinnladen, den kleinern aber ein Stachel dient, durch den sie ein ätzendes Gift, die sogenannte Ameisensäure, in die Wunde bringen, welches Brennen, Jucken, Entzündung, und von größern Arten sogar Geschwüre veranlaßt. Von der Regel, daß in einem Baue nur eine Art Ameisen lebt, weichen die roströthliche oder kriegerische Ameise und die blutrothe mit aschfarbigem Hinterleibe ab; beide verschaffen sich Gehülfen an den kleinen schwarzgrauen oder Minirameisen, die sie im Larven- und Nymphenzustande mit Gewalt aus den Wohnungen der Minirameisen rauben und in ihren eignen Wohnungen durch gefangen gehaltene Geschlechtslose auferziehen lassen.
Männchen und Weibchen der Ameisen sterben im Winter, die Geschlechtslosen aber bringen diese Jahreszeit in einem Winterschlafe hin und erziehen aus den tief im Grunde des Baues verborgenen, ebenfalls schlafenden Larven und Nymphen im Frühlinge ein neues Geschlecht. Die Ameisen sind im Allgemeinen von großem Nutzen, da sie eine Menge schädlicher Insekten vertilgen, richten aber auch großen Schaden an, namentlich am Holzwerke in Gebäuden. Die größten Verwüstungen geschehen durch die sogenannte großköpfige Ameise, welche über einen Zoll lang und in Südamerika heimisch ist. Ein Hause dieser Art entlaubt in einer Nacht alle Bäume und Sträucher eines bedeutenden Strichs Landes, um die Blätter in ihre Wohnung zu schleppen, doch werden sie wieder dadurch sehr nützlich, daß sie in ungeheuern Massen, oftmals nach selbst weit entfernten Gegenden wandern und dort die Gebäude von Mäusen, Ratten, Scorpionen, Spinnen und anderm Ungeziefer reinigen, das sie zum Theil auf der Stelle verzehren. Durch Übergießung lebendiger Ameisen mit Weingeist erhält man den Ameisenspiritus, der als inneres und äußeres Heilmittel gebraucht wird, wie man sie denn auch, mit heißem Wasser übergossen, zu Bädern verwendet. [65] Die Ameisen haben an einer Menge Vögel, die namentlich den Nymphen nachstellen, sehr gefährliche Feinde; die merkwürdigsten aber unter ihren Verfolgern sind der sogenannte Ameisenbär und der Ameisenlöwe. Der Ameisenbär, ein Säugethier ohne Zähne, mit langer Zunge und Krallen an den Vorderfüßen, ist in Südamerika in mehren Arten einheimisch, lebt meist auf den Bäumen und zeugt nur ein Junges, welches die Mutter auf dem Rücken mit sich herumträgt. Die größte Art unter allen ist die mit rüsselförmiger Schnauze; sie ist schwarz und weiß, zottig behaart und mit dem langen Schwanze sieben Fuß lang. Eine andere Art hat gelbliches Wollhaar und ist nur so groß als eine Ratte. Nachdem sie mit ihren Krallen den Ameisenhaufen ausgescharrt, stecken sie tief ihre Zunge hinein, die sie dann schnell zurückziehen, um die Ameisen, welche sich daran gehängt haben, zu verschlucken. Der Ameisenlöwe, etwa einen Zoll lang, mit vier großen, netzförmigen, braungefleckten Flügeln und vorn am Kopfe mit einer Art Zange versehen, ist die Larve eines, den Wasserjungfern ähnlichen Insekts und verwandelt sich nach kurzer Lebensdauer in eine Nymphe, an der man äußerlich schon die Theile des künftigen Insekts wahrnimmt. Seine Nahrung sind Ameisen und andere kleine Insekten. Um sie zu fangen, gräbt er sich in sandigem Erdreich, immer rückwärts gehend, kleine, trichterförmige Gruben, in deren Grunde er mit seiner Zange den in den Trichter rutschenden Insekten auflauert, die er, sobald sie etwa ihm zu entrinnen versuchen, mit Sand überdeckt.