Bauernstand

[198] Bauernstand (der) hat seinen wesentlichen Wohnsitz auf dem Lande und beschäftigt sich vorzugsweise mit Landbau und Viehzucht; doch pflegt man Rittergutsbesitzer und Eigenthümer oder Pachter größerer Güter (Ökonomen im gemeinen Leben), sowie solche Personen, welche ihres Amtes wegen auf dem Lande leben müssen, z.B. Amtleute und Geistliche, nicht mit zu diesem Stande zu rechnen. Ebenso wenig können Handwerker und Krämer, wenn sie auch nebenbei etwas Landwirthschaft treiben, Bauern genannt werden, wenngleich die sächs. Gesetzgebung sie diesem Stande zuweist. Auch nach der Geschichte ist das deutsche Wort Bauer (sonst Bawr, Bar, daher Nachbar, d.i. naher Bauer) die allgemeine Bezeichnung für jeden freien Grundstücksbesitzer auf dem Lande; allein bald erhoben sich die übrigen Stände über den nützlichen, aber armen Stand der Landbebauer. Größere Gutsbesitzer warfen sich zu ihren Beschützern und Herren auf, das Schutzverhältniß führte zur Beschränkung der Freiheit und Auflegung von vielerlei Lasten, der Einfluß der Gutsherren bei der Gesetzgebung und die Verdrängung deutscher Begriffe durch das röm. Recht, aus welchem man die Lehre von den Sklaven auf die deutschen Bauern anzuwenden suchte, verschlimmerten das Loos der Letztern immer mehr und die Folgen dieses Drucks führten den Bauernkrieg (s.d.) herbei. Dieser, sowie die größere Ausbildung der landesherrlichen Gewalt auf Kosten der adeligen Landbesitzer, allmälige Verbreitung geläuterter staatswirthschaftlicher Grundsätze, zunehmende Einsicht von der Wichtigkeit dieser zahlreichen Classe der Staatsbürger und größere Vermischung der Stände, wirkten immer mehr auf richtige Würdigung eines Standes hin, in welchem die Hauptstärke des Staats ruht und der allen übrigen Ständen die nothwendigsten Lebensbedürfnisse liefern muß. In Frankreich zertrümmerte endlich die Revolution mit einem Schlage die mannichfachen Fesseln, welche die Zeit dem freien Bebauer des Landes angelegt hatte, und verschaffte dem dritten Stande (tiers état, Bürger und Bauer) die ihm gebührende Stellung im Staatsverbande. Die Idee der Rechtsgleichheit gewann immer mehr Boden und übte auch bei uns in Deutschland zwar keinen zerstörenden, wol aber einen wohlthätigen Einfluß. Einige Gesetzgebungen begnügten sich damit, die drückendsten Verhältnisse des Bauernstandes aufzuheben, wie die Leibeigenschaft (s.d.), den Dienstzwang (s.d.); andere gestatteten eine Ablösung der Frohnden (s.d.) und anderer Leistungen gegen verhältnißmäßige Entschädigung. Selbst in Rußland suchte Alexander I. den freien Bauernstand wiederherzustellen. In Schweden, Norwegen und Tirol hatte der Bauernstand längst das Recht, sich auf Landtagen vertreten zu lassen, und dasselbe räumen ihm auch die meisten neuen deutschen Verfassungen ein. Die Bauern werden in Kronbauern und Patrimonialbauern eingetheilt, je nachdem sie unmittelbar unter dem Landesherrn stehen und an diesen die bäuerlichen Leistungen, Grundzins, Dienste abzuführen, oder dieselben an den gleichviel ob weltlichen oder geistlichen Gutsherrn abzutragen haben und dem Landesherrn blos die allgemeinen Steuern zu entrichten schuldig sind. In Bezug auf die Größe und Beschaffenheit ihrer Güter unterscheidet man zwischen Hüfnern (auch Anspännern, Pferdnern), welche größere Grundstücke besitzen und Pferde halten können, Gärtnern (Hintersassen, Hintersädler), welche kleinere Grundstücke, Gärten besitzen, und Häuslern (Kothsassen, Kossäten, Kötter), welche blos ein Haus haben. Die Hausgenossen (auch Einlieger), welche zur Miethe wohnen, gehören nicht zur Gemeinde (s.d.). – Bauergut nennt man die Gesammtheit aller liegenden Gründe eines Bauers, seine Wohn-und Wirthschaftsgebäude, Felder, Wiesen, Weinberge, Holzungen und was er sonst der Art besitzt; unter Bauerhof werden aber meistens nur die Gebäude und der von ihnen umschlossene Hofraum eines Bauerguts verstanden.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 198.
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