Beredtsamkeit

[223] Beredtsamkeit ist die Fähigkeit und Kunst, durch richtigen, klaren, würdigen und schönen mündlichen Ausdruck unserer Ansichten, Überzeugungen und Gefühle auf den Willen Anderer überzeugend zu wirken und sie für uns und unsere Absichten zu gewinnen. Zur Rede bedarf es einer wichtigen oder wenigstens für wichtig gehaltenen Veranlassung, und nicht allein diese, sondern auch der Umstand, daß sie meist an eine Versammlung gerichtet wird, der der Redner Achtung schuldig ist, erfodern einen gewissen feierlichen Vortrag. Dies und der Zweck des Redners, seine Zuhörer für oder gegen einen Gegenstand einzunehmen, unterscheidet die Beredtsamkeit von der bloßen Wohlredenheit bei wissenschaftlichen Darstellungen, wie im gewöhnlichen Leben. Anweisung und Regeln zur Beredtsamkeit gibt die Rhetorik (s.d.); wer aber ohne Kenntniß dieser Regeln die Wirkungen der Beredtsamkeit hervorbringt, besitzt natürliche Beredtsamkeit. Die Beredtsamkeit darf sich nicht zur Überredungskunst herabwürdigen, was geschehen würde, wenn sie, Wahrheit und Recht verleugnend, den egoistischen Zwecken einer Partei oder des Redners selbst diente. Die wichtigsten Gattungen der Beredtsamkeit sind die gerichtliche, welche aber Öffentlichkeit der Rechtspflege voraussetzt; die Staats- oder politische Be redtsamkeit, welche die sämmtlichen Angelegenheiten eines Staats behandelt und sich nur in Staaten mit Repräsentativverfassung entwickeln kann, und die religiöse oder Kanzelberedtsamkeit. Theile der sogenannten körperlichen Beredtsamkeit sind die Declamation, welche die Stärke und Schwäche, Hebung und Senkung, die Ruhe und Bewegung der Stimme zum Gegenstande hat, und die Gesticulation oder die Kunst einer angemessenen Geberde.

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Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 223.
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