[277] Bodmer (Joh. Jak.), ein als Kunstrichter, Dichter und Übersetzer um deutsche Sprache und Literatur hochverdienter, überhaupt sehr vielseitiger Schriftsteller, geb. 19. Jul. 1698 im Dorfe Greifensee bei Zürich, wo sein Vater Geistlicher war. Zu demselben Berufe ausersehen, von der eignen Neigung aber unwiderstehlich zu den schönen Wissenschaften und Künsten hingezogen, betrieb B. nur scheinbar das Studium der Theologie, weil er durch Widerspruch zu einer seinen Wünschen völlig fremden Thätigkeit genöthigt zu werden fürchtete. Endlich kam es aber doch so, denn als B. eine geistliche Amtsthätigkeit anzutreten sich weigerte, bestimmte sein Vater, er solle nun die Handlung lernen. Er fuhr indessen, so viel er vermochte, in seinen Lieblingsstudien fort, bis man ihm zuletzt gewähren ließ und der 22jährige B. nun den kühnen Entschluß faßte. in Verbindung mit mehren gleichgesinnten Freunden als Reformator des deutschen Geschmacks in der schönen Literatur aufzutreten. Bald wurden ihre Schriften Veranlassung, daß sich zwei Parteien, die schweizerische und die Gottsched'sche, in der schönen Literatur bildeten, welche sich vielfach befehdeten, von denen aber der erstern der Ruhm gebührt, für das Edlere gewirkt und den von Gottsched (s.d.) vertretenen schwülstigen, die Franzosen nachahmenden Geschmack damaliger Zeit mit Glück bekämpft und die Aufmerksamkeit wieder auf verdienstvolle ältere deutsche Dichter gelenkt zu haben. Ein ganz besonderes Verdienst in letzter Beziehung erwarb sich B. durch Herausgabe der Manesse'schen Sammlung der Minnesänger (s.d.). Von 1725–75 war B. Professor der helvet. Geschichte in Zürich, wurde 1737 Mitglied des großen Rathes, erfreute sich trotz seiner außerordentlichen Thätigkeit, bei einer äußerst frugalen Lebensweise der dauerhaftesten Gesundheit, überlebte lange seine frühverstorbene Gattin und fünf Kinder und starb, 85 Jahre alt, nach kurzem Krankenlager am 2. Jan. 1783. Auch als Geschichtschreiber ist B. aufgetreten, am wenigsten glücklich war er jedoch als Dichter und sein vornehmstes poetisches Werk »Die Noachide«, ein Heldengedicht in 12 Gesängen, ist zwar nicht ohne Schönheiten, leidet aber an lebhaftem Interesse und Anmuth der Darstellung großen Mangel. In allen Lebensverhältnissen zeigte sich B. als ein aufgeklärter, aber auch als streng sittlicher Mann, benutzte gern die Gelegenheit, dem Talent mit Rath und That zur Hand zu gehen, und auch Wieland und Klopstock haben in seinem Hause gelebt. Sein letzter Wille athmete noch wohlthätige Gesinnungen, indem er sein Vermögen zu milden Stiftungen und seine Bibliothek der Stadt Zürich bestimmte.