[310] Branntwein ist eine aus so viel Weingeist und Wasser gemischte Flüssigkeit, daß sie noch genießbar bleibt. Der gewöhnliche Schenkbranntwein enthält nur 22–30 Procent Alkohol (s.d.), ist letzterer aber in einem die Hälfte des Umfangs der Flüssigkeit übersteigenden Verhältnisse vorhanden, so wird die Flüssigkeit zu den Weingeisten gerechnet. Der Name des Branntweins rührt daher, daß er in Europa zuerst durch Destillation des Weines erhalten, daher gebrannter Wein genannt wurde, welche Kunst im 13. Jahrh. von den Arabern zu uns kam, die sie aus Indien und China erhalten hatten, wo sie seit uralter Zeit geübt worden ist. Anfänglich bediente man sich des Branntweins nur als Heilmittel, als er aber gegen Ende des 15. Jahrh. anfing ein allgemein verbreitetes Getränk zu werden, reichten auch der Wein und die Weinhefen, aus denen er bis [310] dahin vorzugsweise bereitet wurde, bald nicht mehr für das Bedürfniß hin und man suchte immer mehr in weinige Gährung versetzbare Stoffe dazu zu verwenden. Auch ist seitdem das Branntweinbrennen fortwährend außerordentlich verbessert und dadurch eines der wichtigsten landwirthschaftlichen Gewerbe geworden, das die höhere Verwerthung vieler Erzeugnisse der Landwirthschaft vorzüglich begünstigt, indem auch die Abfälle noch brauchbares Viehfutter liefern, wodurch die Vermehrung des Viehstandes möglich wird, die wieder Vermehrung des für den Ackerbau unentbehrlichen Düngers zur Folge hat. Branntwein kann durch angemessenes Verfahren aus allen Mehl oder Zuckerstoff oder beide zugleich unter ihren Bestandtheilen enthaltenden Substanzen gewonnen werden, und man legt ihm darnach auch verschiedene Namen bei. Rum wird z.B. aus dem Safte des Zuckerrohrs; Franzbranntwein in Frankreich durch Destillation des Weines, der Weinhefen und Trestern; Zuckerbranntwein aus Abfällen der Zuckerfabriken gewonnen, und in Deutschland werden dazu Getreide, Kartoffeln, Rüben, zuckerige Früchte und Beeren, als Kirschen, Pflaumen, Apfel, Ebereschbeeren u.s.w. genommen; selbst Roßkastanien und Eicheln können dazu benutzt werden und die Kalmücken bereiten sich sogar den ihrigen aus Milch.
In der Hauptsache zerfällt das Branntweinbrennen in die Darstellung einer weinigen Flüssigkeit und in Destillation derselben zur Abscheidung des Weingeistes. Soll Getreide, von dem der Weizen den meisten und besten Branntwein gibt, dazu benutzt werden, so ist das Verfahren dem bei der Bereitung des Bieres (s.d.) sehr ähnlich, auch werden Weizen und Gerste öfters zum Theil gemalzt, doch nicht gedörrt, sondern nur gewelkt. Schroten und Einmaischen sind sich gleich, allein nachher weicht die Behandlung ab, indem das gemaischte Schrot nun durch Zusatz von Hefen in die weinige Gährung versetzt wird. Ist diese vorüber, so wird das sogenannte gegohrene Gut zur Destillation in die Blase gebracht, welche ein länglichrunder, eingemauerter, unten mit einem Zapfen versehener kupferner Kessel mit engem Halse ist. Unter diesem wird Feuer gemacht und sobald der bis dahin fleißig umgerührte Maisch zu dampfen anfängt, der Blasenhut oder Helm auf den Hals der Blase festgekittet. Dieser Helm ist ebenfalls von Kupfer, beinahe wie eine verkehrte kleine Blase gestaltet und überall bis auf eine an der Seite schief abwärts gehende Röhre verschlossen. Diese paßt genau in die Schlange, eine gleichweite kupferne, gewöhnlich schneckenförmig durch eine mit kaltem Wasser gefüllte aufrechte Tonne, das Kühlfaß, herabgeleitete Röhre, in dem sie sich unten so endigt, daß man in einem vorgesetzten Fäßchen, der Vorlage, die von der Hitze im Helme in die Höhe getriebene und von da durch die Schlange abgeflossene, mittels des kalten Wassers zu Tropfen verdickte geistige Flüssigkeit auffangen kann, welche Lutter, das in der Blase gebliebene Spülicht heißt. Der Lutter hat einen widerlichen Geruch und Geschmack, auch wenig Weingeistgehalt, weil viel Wasserdünste mit ihm übergehen; er wird daher wieder in die vorher sorgfältig gereinigte Blase oder in eine andere gebracht und nochmals auf die beschriebene Art destillirt, um ihn von den geringen Bestandtheilen zu scheiden. Man nennt dies Läutern oder Abziehen und das nun Zurückbleibende heißt Phlegma, die abgezogene Flüssigkeit Branntwein, und wenn sie noch weiter geläutert wird, Weingeist und Alkohol. Will man Obst zu Branntwein verwenden, so muß es zerstampft und mehre Wochen in den Keller gestellt werden; Rüben. und Kartoffeln, aus denen in neuerer Zeit bei richtiger Behandlung viel guter Branntwein bereitet wird, werden gewaschen, gekocht, zerkleinert und dann mit Gersten- und Weizenschrot zur Gährung gebracht. Um endlich den Branntwein von dem ihm eignen widrigen Fuselgeruche zu befreien, welcher von dem, nicht gemalztem Getreide eignen Fuselöle herrührt, wird er über pulverisirte Kohle, Kartoffelbranntwein auch über Asche filtrirt und nochmals destillirt; aus solchem fuselfreien Branntweine werden durch Zusatz von Zucker und aromatischen Substanzen die Liqueure bereitet. Unter den vielen Fortschritten des oben geschilderten, im Ganzen ältern Verfahrens bei der Branntweinbrennerei hat sich vorzüglich die Heizung der Kessel durch Dämpfe als nützlich bewährt, wodurch das sonst häufige Anbrennen des Guts in der Blase vermieden wird; auch hat man Dampfbrennapparate, mit denen sogleich der reinste Branntwein gewonnen und die Ausbeute des Maisches sehr gesteigert wird.
Mit dem Weine hat der Branntwein gemein, daß er sich durch langes Lagern im Keller fortwährend veredelt. Als ein je nach seiner Reinheit und Stärke mehr oder weniger durchdringendes und kräftiges Erregungsmittel kann er namentlich in nördl. Gegenden von Seeleuten, Jägern und andern jeder Witterung ausgesetzten Personen in kleinen Quantitäten mit Nutzen genossen werden. Unmäßiger Genuß desselben berauscht dagegen, schwächt die Lebenskräfte und führt endlich gänzliche Erschlaffung derselben herbei.