Mehl

[100] Mehl wird vorzugsweise das durch Mahlen auf der Mühle zu einem seinen, weißen Staube zerkleinerte Getreide genannt, welches von den Hülsen und Kleien durch Siebvorrichtungen von sehr seinem Drahtgeflecht oder von wollenem, eigens zu diesem Zwecke bereiteten Beuteltuche gesäubert worden ist; unter Hinzufügung einer nähern Bezeichnung des Stoffes wird der Ausdruck Mehl aber auch von andern staubartig zerkleinerten Gegenständen gebraucht und man spricht z.B. von Ziegelmehl, Knochenmehl und Senfmehl. Die zu Mehl am gewöhnlichsten verwendeten Getreidearten sind Weizen, Dinkel, Roggen, Gerste und Buchweizen, seltener Hafer und Mais; Hauptbestandtheile desselben sind Stärkmehl und Kleber. Die Güte des Mehls ist von der Güte des Getreides abhängig, aus dem es bereitet worden, sowie von der sorgfältigen Behandlung in der Mühle; gutes Mehl aber muß weiß, frei von saurem oder scharfem Nachgeschmack und völlig trocken sein, denn nur wenn letzteres der Fall ist, läßt es sich für lange Zeit, am besten in dichte Fässer eingepreßt, unverdorben aufbewahren. Der allgemeine Verbrauch von Mehl zu Backwerk und Mehlspeisen der verschiedensten Art macht es zu einem wichtigen Handelsartikel, das beste und haltbarste Dauermehl lieferten aber bisher die Vereinigten Staaten von Nordamerika und Canada, wo besondere Sorgfalt und sehr vervollkommnete Mühleinrichtungen zu seiner Bereitung angewendet werden und von denen Südamerika und Westindien damit versehen wird. Von Deutschland aus ist in den letzten Jahren auch viel Mehl dahin verschifft worden, das aber dem aus Nordamerika noch weit nachgesetzt wird, und erst dann, wenn wir die vollkommenere amerik. Mühlbereitung uns angeeignet haben werden, wofür jetzt an mehren Orten gewirkt wird, steht ein vortheilhafter Absatz dieses Landeserzeugnisses nach jenen Gegenden zu erwarten. Von Rußland aus geht besonders Roggenmehl nach Schweden und Dänemark, Italien erhält Weizen- und Maismehl viel von Fiume und Triest, und England und Frankreich verschissen viel eignes Mehl nach ihren Colonien. Zu den künstlichen Bereitungen aus Mehl gehören auch die Oblaten (s.d.), die Maccaroni und Nudeln (s.d.). Bleibt nicht völlig trockenes Mehl fest aufeinandergepackt liegen, so erhitzt es sich, wird dumpfig und übelriechend und läßt sich dann nicht wieder verbessern; auch erzeugen sich darin die dasselbe zerstörenden Milben (s.d.). Großen Schaden richten ferner die vorzüglich im Mehle lebenden sogenaanten Mehlwürmer oder Larven des 1/2 Zoll langen Mehlkäfers an, welcher an unreinen Orten in Häusern, in Mühlen und Backhäusern, auch in faulem Holze und unter der Rinde der Eichen lebt und schwarzglänzende, feingefurchte Flügeldecken und braune Beine hat. Das Weibchen desselben legt seine gelblichen Eier wo möglich ins Mehl, aus denen die Mehlwürmer entstehen, welche zu ihrer Verwandlung in Puppen und geflügelte Insekten mehre Monate bedürfen und in Ermangelung von Mehl sich auch ins Holz bohren, da sie ein sehr scharfes Gebiß besitzen. Sie werden ungefähr einen Zoll lang, haben einen walzigen, aus 12 hornartigen Ringen bestehenden, gelblichbraun gefärbten Leib und verunreinigen das Mehl durch ihren schwarzen Koth, ihre Häute und eine klebrige Feuchtigkeit, welche sie ausschwitzen, indem sie sich durch das Mehl bohren, daher dies hinter ihnen nicht zusammenfällt. Werden die entstandenen Käfer nicht vertrieben, so bleiben sie im Mehle, das nur mittels des Durchslebens davon gesäubert werden kann, und pflanzen sich weiter fort. Die Mehlwürmer sind ein Lieblingsfutter für Nachtigallen und andere, Insekten verzehrende Singvögel, und werden deshalb namentlich für den Winter in großen irdenen Töpfen gezogen, welche man mit faulem Holz, Kleien, hartem Brot, mit Bier getränkter Pappe und wollenen Lumpen anfüllt, an einen warmen Ort stellt und einige Mehlwürmer hineinsetzt, welche sich binnen einigen Monaten dann sehr vermehren.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 100.
Lizenz:
Faksimiles:
Kategorien: