[366] Calvin (Johannes), eigentlich Jean Cauvin, der Sohn eines Böttchers, geb. 10. Jul. 1509 zu Noyon in der Picardie, vollendete die Reformation in der Schweiz und führte sie in Frankreich ein.
Von seinen Ältern zum geistlichen Stande bestimmt und schon im 11. Jahre im Genuß einer Pfründe bei dem Dome seiner Vaterstadt, studirte er anfangs eifrig in Paris Theologie, wo er auch mit der neuen Lehre bekannt wurde, wandte sich jedoch im 20. Jahre nach Orleans und später nach Bourges, um sich aus Neigung oder auf den Wunsch seiner Ältern dem Studium der Rechte zu widmen, ohne jedoch seine Aufmerksamkeit den religiösen Fragen jener Zeit zu entziehen. Der Tod seines Vaters nöthigte ihn zwar zur Rückkehr in seine Vaterstadt, allein er verweilte daselbst nur kurze Zeit, entsagte seiner Pfründe und kehrte 1532 nach Paris zurück, wo er sich mit den alten Sprachen beschäftigte, bald aber als Anhänger der neuen Lehre verdächtig ward und fliehen mußte. Mehre Jahre führte er nun ein unstätes Leben, hielt sich einige Zeit zu Nerac, am Hofe der Königin Margarethe von Navarra, dann wieder in Paris auf und ging endlich nach Basel, wo er 1535 sein vorzüglichstes und dem Könige Franz I. von Frankreich gewidmetes Werk: »Unterricht über die christliche Religion«, in lat. Sprache herausgab, das später ins Französische übersetztmehrmals aufgelegt und von C. fortwährend erweitert wurde, der damit die Verbreitung richtiger Begriffe von der neuen Lehre in Frankreich beabsichtigte, wo ihre Anhänger als Aufrührer und Wiedertäufer verfolgt wurden. Italien, wohin sich C. begab, um für seine Lehre zu wirken, mußte er bald wieder verlassen, ging abermals nach Paris und wollte von da nach Basel zurückkehren, als er unterwegs in Genf durch die Vermittelung seines Freundes Farel, der daselbst dir Reformation eingeführt, endlich eine bleibende Stätte fand und als Geistlicher angestellt wurde. Zwar mußte er nach einer zweijährigen Wirksamkeit in Folge eines Religionszwistes 1538 die Stadt verlassen, kehrte jedoch, nachdem er unterdessen zu Strasburg als Lehrer an der Universität und Prediger einer von ihm gestifteten zahlreichen franz. Gemeinde [366] für die Verbreitung und Begründung der Reformation rastlos gewirkt, auch dem Reichstage zu Frankfurt und der Berathschlagung zu Regensburg als strasburg. Abgeordneter beigewohnt hatte, 1541 auf immer nach Genf zurück, wo er auch am 24. Mai 1564 sein Leben beschloß, nachdem ihm seine Gattin. die Witwe Idelette Burie, mit der er sich 1539 in Strasburg vermählte, und ein mit ihr erzeugter Sohn längst vorangegangen waren.
Nach Genf war C. nur nach erfolgter Annahme seiner strengen Kirchen- und Sittenordnung zurückgekommen und setzte in Folge derselben alsbald eine Behörde aus geistlichen und weltlichen Personen ein, welche über Erhaltung der reinen Lehre und Sittlichkeit zu wachen hatte und deren Vorstand er war. Von dieser konnte Jedermann wegen seiner Handlungen und Meinungen zur Rechenschaft gezogen, mit geistlichen Strafen belegt und in wichtigen Fällen den weltlichen Gerichten überliefert werden. Allein nicht blos in diesen Angelegenheiten, sondern in Allem, was Genf betraf, genoß C. das höchste Ansehen, der mit bewundernswürdiger Thätigkeit neben seinem häufigen Predigen, gelehrten Arbeiten und Vorlesungen an der 1558 auf seinen Betrieb in Genf gestifteten, ersten reformirten Universität, und bei seinem Briefwechsel mit den meisten reformirten Lehrern in Europa, die sämmtlich von seinen Rathschlägen geleitet wurden, noch für die Theilnahme an den innern und äußern Regierungsgeschäften Zeit behielt. Auch hier war seine Meinung Gesetz; eine solche Herrschaft hatte C. durch die Kraft und strenge Beharrlichkeit seines Geistes erworben, über der er aber leider zuweilen der christlichen Liebe vergaß. Das schrecklichste Beispiel davon ist das Schicksal des Spaniers Mich. Servet, welchen C. wegen seiner gegen die Dreieinigkeit gerichteten Lehren schon früher verfolgt hatte und den er bei der Durchreise durch Genf 1533 verhaften, als Ketzer verurtheilen und den Feuertod sterben ließ. Von Person war C. hager, mittler Größe, sehr kränklich und schwächlich; seine Gesichtsfarbe war bleich und nur sein feuriger Blick verrieth seine große Seele. Musterhaft war seine Uneigennützigkeit; nie nahm er außer seinem jährlichen Gehalte von 150 Francs, 15 Maß Getreide und zwei Fässern Wein, ein Geschenk an und lehnte den Antrag der Stadt Strasburg ab, die ihm seine Besoldung zeitlebens gewähren wollte; auch betrug der Werth seines gesammten Nachlasses nur gegen 125 Thlr.
Die Lehre C.'s oder der Calvinismus unterscheidet sich vorzüglich durch die bildliche Auffassung des Abendmahls, das Luther nach dem Wortsinne der Schrift verstanden wissen will; durch die Annahme der Prädestination oder göttlichen Vorherbestimmung der Menschen zur Seligkeit und zur Verdammniß, und durch seine Kirchenzucht. Sie fand in der Schweiz, in Deutschland, Ungarn, England, vorzüglich in Frankreich zahlreiche Anhänger, welche jedoch erst nach dem 1561 zu Poissy im jetzigen franz. Departement der Seine und Oise gehaltenen Religionsgespräche, wo namentlich der zehnte Artikel der augsburg. Confession von ihnen verworfen wurde, sich Calvinisten nannten und mit den andern franz. Protestanten den Spottnamen Hugenotten (s.d.) theilten.