Eier

[634] Eier legen alle Vögel, die meisten Amphibien, Fische, von denen sie Laich und Rogen heißen, Insekten und Würmer, und pflanzen sich dadurch fort; nur die Vögel brüten (s.d.) ihre Eier selbst aus, die übrigen eierlegenden Thiere überlassen das der Sonnenwärme. Die Vogeleier sind meist mehr und weniger länglich rund, von der Größe kleiner Erbsen, bis beinahe drei Pfund schwer, wie die des Straußes und weiß, bräunlich, bläulich, grünlich, häufig mit dunkeln Flecken und Streifen gefärbt. Sie bestehen aus einer äußern, kalkigen Schale, dem darunter liegenden Eihäutchen, dem Eiweiß und dem darin schwimmenden Dotter oder Eigelb, welche beide noch besonders mit zarten Häutchen umgeben sind. In befruchteten Eiern zeigt der Dotter an der Oberfläche noch eine kleine, linsenförmige Erhöhung, welche der Hahnentritt oder die Narbe heißt, und wo sich während des Brütens (s.d.) das junge Thier entwickelt. Die Eier vieler Vögel, auch die der Schildkröten und der Fische, werden gegessen und geben meist wohlschmeckende und nahrhafte Gerichte; bei uns finden vorzüglich die Eier der Hühner (s.d.) in der Küche, Apotheke und zu gewerblichen Zwecken, eine umfassende Verwendung. Die Eischale und das darunter liegende Häutchen scheinen zwar sehr dicht, haben aber doch unsichtbare Poren, durch welche die Feuchtigkeit in den Eiern vertrocknen und Luft in dieselben gelangen kann, daher bei Aufbewahrung von frischen Eiern hauptsächlich darauf zu sehen ist, daß Beides verhütet werde, wenn sie nicht verderben sollen. Mitunter finden sich auch Eier mit zwei Dottern, oder ganz mit Dotter und ganz mit Eiweiß angefüllt, welche letztere bei den Hühnern Hexeneier genannt werden; auch legen diese zuweilen Eier ohne Schale, sogenannte Fließeier, oder mit einer hautartigen Schale, die Windeier heißen und wovon die gewöhnliche Ursache zu fette Nahrung der Hühner ist; zu kleine und auch inwendig unvollkommene Hühnereier werden Spureier genannt; auch hat man sogenannte [634] schwangere Eier, d.h. ein vollkommenes Ei in dem andern gefunden, und der Aberglaube fürchtete ehedem die angeblich aus Hahneiern entstehenden Basilisken (s.d.). – Das, gleich andern milden Ölen, als äußerlich erweichendes Mittel dienende Eieröl wird aus den Dottern hartgesottener Hühnereier bereitet; die Dotter werden nämlich über gelindem Feuer so lange in einer Pfanne umgerührt, bis alles Wässerige daraus verdunstet ist, und dann in einem Beutel mittels einer erwärmten Presse das Öl ausgepreßt. – Die in Eiersammlungen aufzubewahrenden Vogeleier werden entweder ausgeleert, indem man an jedem Ende ein kleines Loch in dieselben bohrt und sie dann ausbläst, oder hart gesotten, wodurch aber die Färbung der meisten leidet, wegen der sie auch an gegen das Licht geschützten Orten aufbewahrt werden müssen. Aus den Eiern von Amphibien, welche nur eine weiche elastische Haut haben, wird durch eine kleine Öffnung an einem Ende ihr Inhalt herausgedrückt. Sodann bläst man die Schale auf, füllt sie mit seinem Sande und trocknet sie, bis die Schale hart wird und der Sand entfernt werden kann. – Von einander sehr ähnlichen Dingen sagt man: »sie sehen einander so gleich, wie ein Ei dem andern«, und die Redensart: »man solle sich nicht um ungelegte Eier bekümmern«, soll Unberufene von der Einmischung in noch nicht zur Reise gediehene Anordnungen abmahnen. Nach einer alten Bemerkung werden Eier, wenn sie gespeist werden sollen, von den Juden an der Spitze, von den Italienern oben, von den Deutschen an der Seite geöffnet; die Alten singen ihre Mahlzeiten mit Eiern an und beschlossen sie mit Obst, und daher rührt die lat. Redensart: ab ovo usque at mala, d.h. von Anfang bis zu Ende. Zu Ostern beschenkte sich ehedem die ganze christliche Welt mit Ostereiern, welche gefärbt, bemalt, mit Bändchen und Goldplättchen herausgeputzt, auch mit Reimen versehen wurden, von denen namentlich der folgende:


Ich wünsche, Liebchen, froh und frei,

Mich dir, dich mir, zum Osterei.


sehr beliebt war. Die Kinder besuchten ihre Pathen und erhielten von ihnen schöne Eier, in der Niederlausitz Dingeier oder Kike genannt, oder es wurden im Garten oder im Hause bunte Hühnereier einzeln versteckt, die am Charfreitag oder Gründonnerstag der Hase gelegt haben sollte und die sie nun jubelnd aufsuchten, welche Sitte noch hier und da herrscht. Eine sonst sehr übliche Volksbelustigung war das Eierlesen, bei dem eine bestimmte Zahl bunter Eier in abgemessenen Entfernungen auf die Erde gelegt wurden, welche ein sogenannter Eierleser im Auf- und Ablaufen einzeln aufheben mußte, während ein Anderer, der Läufer, einen bestimmten Weg hin und her zu machen hatte. Wer zuerst seine Aufgabe löste, gewann eine Belohnung, und eine Schmauserei machte in der Regel den Beschluß. Aus einem goldenen Ei tranken ehemals die Könige von Persien, die griech. Kaiserin Irene (gest. 803) aber konnte von der Einnahme für die auf ihren Gütern verkauften Eier eine kostbare Krone verfertigen lassen, welche sie und ihre Nachfolgerinnen trugen und welche Eierkrone hieß. Wahrscheinlich kosteten damals die Eier mehr als 1273 in Deutschland, wo man 14 für einen Pfennig, und 1580, wo man zehn für einen Heller erhielt. Von den größten Eiern, nämlich denen des Vogels Sis, erzählt der Talmud (s.d.), denn als er einmal eins aus seinem Neste warf, sollen dadurch 60 Dörfer überschwemmt und 300 Cederbäume zerbrochen worden sein. – Eierstöcke heißen die eiförmigen platten, mehr und weniger großen Körper, welche bei weiblichen Thieren zu beiden Seiten des Fruchthalters in einer Verdoppelung des Bauchfells liegen, mit dem sie fest verwachsen sind. Sie bestehen aus einer braunröthlichen, gefäßreichen, zelligen Masse, in der sich eine Anzahl kleiner Bläschen, beim Menschen 12–15 befinden, welche nach ihrem Entdecker Graaf die Graaf'schen Bläschen heißen und eine durchsichtige Feuchtigkeit enthalten, von der die Zeugung (s.d.) einer gesunden Nachkommenschaft mit abhängt. Durch die Befruchtung schwillt der Eierstock an und verändert sich in seiner Masse; eins jener Bläschen wird locker, sodaß es von den in der Nähe liegenden, dann ebenfalls eine besondere Thätigkeit äußernden Franzen der sogenannten Trompeten des Fruchthalters, leicht abgetrennt und in den Fruchthalter selbst gebracht werden kann, woran es sich befestigt, verändert, eine Frucht bildet und nach der für jede Thiergattung bestimmten Zeit der Reise geboren wird. – Die Eierpflanze hat den Namen von ihren den Eiern höchst ähnlichen weißen, gelben oder rothen Früchten, gehört zum Kartoffelgeschlecht, ist in Asien, Afrika und Amerika heimisch und wird in Deutschland blos der Seltenheit wegen aus Samen in Töpfen, auch wol im Lande an geschützten Stellen gezogen. In Afrika und dem südl. Frankreich wird sie jedoch mit Gewürzen, Sardellen und andern scharfschmeckenden Zusätzen auf mancherlei Weise verspeist. – Das Eiweiß oder der Eiweißstoff ist ein sehr wichtiger Bestandtheil des thierischen Körpers, ist am reichlichsten im Blutwasser und in den Eiern der Vögel enthalten und kann aus beiden durch Abdampfen bei gelinder Wärme trocken hergestellt werden. In diesem Falle behält der Eiweißstoff seine Auflöslichkeit im Wasser, die er aber bei einer Wärme von 50–56° R. verliert, in der er gerinnt. Auf diesem Gerinnen beruht die Anwendung des Eiweißes und des Bluts, Flüssigkeiten durch Erhitzung mit denselben zu klären, indem das in dieselbe gebrachte und gerinnende Eiweiß die darin vertheilten festen Stoffe umhüllt und in seine Masse aufnimmt, sodaß man sie als Schaum oder Niederschlag von der klar zurückbleibenden Flüssigkeit trennen kann. Alkohol, Äther, Terpenthinöl, Säuren, Galläpfelaufguß und manche Metallsalze bewirken dieselbe Gerinnung zu einer in Wasser unauflöslichen Masse. Das Eiweiß gibt ferner einen glänzenden Firniß zum Überziehen von Gemälden und andern Kunstsachen, bildet mit frischgebranntem gepulverten Kalk, mit Thon, Mehl und einigen andern Stoffen einen sehr festen Kitt, und mit einer doppelten Menge Wasser, etwas Kochsalz und Salmiak gemischt, den Grund, auf welchen der Buchbinder das Gold auf den Schnitt der Bücher aufträgt.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 634-635.
Lizenz:
Faksimiles:
634 | 635
Kategorien:

Buchempfehlung

Raabe, Wilhelm

Der Hungerpastor

Der Hungerpastor

In der Nachfolge Jean Pauls schreibt Wilhelm Raabe 1862 seinen bildungskritisch moralisierenden Roman »Der Hungerpastor«. »Vom Hunger will ich in diesem schönen Buche handeln, von dem, was er bedeutet, was er will und was er vermag.«

340 Seiten, 14.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon