Esel

Esel

[696] Esel (der) gehört, wie das Pferd, zu den Säugethieren mit ungetheilten Hufen und einfachem Magen, und ist demnach kein Wiederkäuer.

Die als Hausthiere auch in Deutschland, vorzüglich aber im südl. Europa gehaltenen Esel sind gegen 4 F. hoch, haben glattes, graues, bräunliches oder schwärzliches Haar, über Rücken und Schultern schwarze Streifen, die ein Kreuz bilden, lange Ohren und einen kurzen Schwanz. Obgleich die Geduld, Trägheit und Dummheit dieser Thiere sprüchwörtlich geworden ist, besitzen sie doch sehr nutzbare Eigenschaften. Sie gehen sanfter und sicherer als das Pferd, besitzen große Ausdauer und da sie zugleich sehr schwer, oft über drei Ctr. zu tragen im Stande sind, so geben sie vortreffliche Lastthiere für Gebirgsgegenden ab. In manchen Gegenden werden sie vorzüglich von den Müllern zum Transport des Getreides und Mehles gehalten und in südl. Ländern zum Reiten, selbst zum Pflügen benutzt. Ihre dicke Haut gibt Trommelfelle, treffliches Pergament, Schuhwerk u.s.w.; das Fleisch jung geschlachteter Esel ist in Italien und Spanien sehr beliebt und ihre Milch, die nahrhafter und dabei leichter zu verdauen ist als andere, gibt bei Schwindsuchten und andern Krankheiten ein treffliches Heilmittel ab. Hinsichtlich der Fütterung nimmt der Esel mit Disteln, Stroh und Spreu, Kleien und Träbern vorlieb, verlangt jedoch frisches klares Wasser. In wärmern Ländern sind diese Thiere, denen ein kaltes Klima nicht zusagt, auch viel kräftiger und behender, und es fehlt nicht an Beispielen von ihrer Klugheit. So fand sich z.B. der Esel des Hauptmanns Dundas, eines der sonderbarsten Reisenden neuerer Zeit, der in Gibraltar im März 1816 nach Malta eingeschifft wurde, aber einige Tage nachher, weil das Schiff scheiterte, in der Nähe der span. Küste über Bord geworfen wurde, nachdem er ans Land geschwommen, 25 M. weit über Berg und Thal wieder zu seinem Wirth nach Gibraltar. Die wilden Esel, von denen nachstehend einer abgebildet ist, welche jetzt nur noch in den Gebirgen der Tatarei und den Wüsten zwischen Afghanistan und Indien angetroffen werden, standen im Alterthume in Asien fast in gleichem Ansehen wie das Pferd. Sie leben dort meist in Heerden, werden 10–12 Fäuste hoch, sind sehr schlank gebaut und nur Kopf und Ohren erscheinen auffallend groß. Ihre Haut ist mit glatten, bräunlichen, am Bauch und den hintern Theilen mit silbergrauem Haar bedeckt; die kurze Mähne und die Schwanspitze sind schwarz, das Kreuz auf dem Rücken fehlt. Sie sind sehr schüchtern, ungemein behend und übertreffen das Pferd an Schnelligkeit.

In früherer Zeit spielte der Esel eine wichtige Rolle bei mehren Festen der christlichen Kirche, indem bekanntlich Christus seinen Einzug in Jerusalem auf einem Esel hielt und ein Esel mit an der Krippe des Jesuskindes gestanden, auch [696] die Jungfrau Maria auf einem solchen nach Ägypten geflüchtet sein soll. Es wurden zum Andenken dieser Flucht in Spanien und vorzüglich in Italien und Frankreich bis ins 16. Jahrh. am 14. Jan. Eselsfeste begangen, bei denen ein geschmückter Esel, auf dem eine Jungfrau mit einem Kinde saß, in Begleitung der Geistlichkeit und des Volks in die Kirche geführt und neben den Altar gestellt wurde. Während des sodann gehaltenen Hochamtes knieete der dazu abgerichtete Esel mit der ganzen Gemeinde, die nachher ein Lied sang und nach jedem Verse, sowie am Schlusse der Priester anstatt des Segens »ia« rief und statt Amen mit »ia« antwortete. Ebenso ward zur Feier des Einzugs des Heilandes in Jerusalem am Palmsonntage ein Esel und zwar in Deutschland meist ein hölzerner, in Procession unter Läuten mit allen Glocken umhergeführt und man drängte sich oft dazu, ihn zu ziehen, weil man dies für ein verdienstliches Werk hielt. Noch im 18. Jahrh. soll in Verona der heil. Esel verehrt worden sein, auf dem Christus in Jerusalem einzog und dem, wie erzählt wird, er dann die Freiheit gab, zu gehen, wohin er wollte, ohne einem Menschen unterthan sein zu dürfen. Der Esel durchstreifte das gelobte Land, schwamm übers Meer nach Cypern, Sicilien und kam endlich nach Verona, wo er starb, ausgestopft und ihm zu Ehren jährlich ein Fest gefeiert wurde.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 696-697.
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