Procession

[580] Procession heißt nach dem Lateinischen jeder bei besondern Feierlichkeiten veranstaltete festliche Aufzug, vorzugsweise werden aber die festlich-religiösen Auf-und Umzüge der Bekenner der röm.-katholischen Kirche so genannt. Geistliche und Laien halten dieselben um Altäre, von einer Kirche zur andern, nach Klöstern und andern Orten unter Vortragung von Kreuzen, Heiligenbildern, Reliquien, unter Absingung von Litaneien, Psalmen und Gebeten zur Ehre Gottes und der Heiligen. Diese Aufzüge, welche auch Bitt- und Kreuzgänge heißen, haben den Zweck, Gott und die Heiligen für irgend etwas dankend zu verherrlichen oder auch etwas Bestimmtes, z.B. Regen, den man durch Umhertragen der Gebeine des h. Benno (s.d.) noch vor Kurzem in München zu erlangen suchte und das Aufhören von Landplagen, von ihnen zu erbitten. Gehen sie nach einem entfernt liegenden Orte, so heißen sie Wallfahrten oder Betfahrten (s.d.). Der Ursprung dieser auffallenden religiösen Verehrungsweise, bei der die Religion, ihr geistig innerliches Leben verleugnend, zum öffentlichen Schaugepränge wird, liegt im heidnischen Alterthume, wo Griechen und Römer bei glücklichen Ereignissen, wie nach errungenen Siegen, durch festliche Aufzüge den Dank gegen die Götter, und bei unglücklichen, wie Krieg, Landplagen, Hungersnoth, die an sie gerichteten Bitten feierlicher und nachdrücklicher auszusprechen suchten. Eigenthümlich waren bei ihnen besonders an den zu Ehren der Ceres, Diana, des Bacchus und andern Gottheiten gefeierten Festen religiöse Aufzüge und das Bild der Gottheit selbst wurde als das Heiligste in denselben vorangetragen. Noch jetzt wird auf diese Weise bei manchen heidnischen Völkern die Gottheit verehrt, besonders bei den Indiern, Chinesen und Japanern, wo religiöse Aufzüge aller Art den wesentlichsten Theil der Gottesverehrung bilden. Ihre ungewisse Einführung in die christliche Kirche soll von Chrysostomus, Patriarch von Konstantinopel, herrühren, der, seine Mitchristen gegen die Ketzerei der Arianer zu verwahren, welche zu seiner Zeit ihre gottesdienstlichen Zusammenkünfte außerhalb der Stadt halten mußten und des Abends und Morgens, Lieder singend, sich vereinigten, Gegenprocessionen angeordnet haben und mit der Geistlichkeit und dem Volke, unter Fackelschein, Vortragung des Kreuzes, Gebete und Lieder singend in die Kirchen gezogen sein soll. Nach Andern soll Mamertus, Bischof von Vienne in Frankreich, sie eingeführt haben, der einst, als in der Osternacht während des Gottesdienstes eine Feuersbrunst zu Vienne ausgebrochen, Gott knieend um Hülfe gebeten und ihm öffentliche Umzüge zu halten gelobt habe wenn er erhört würde. Als dies geschah, habe er dar auf drei Tage vor dem Feste der Himmelfahrt Jesu, zur Erfüllung seines Gelübdes, eine Procession angeordnet, die Neuerung habe Beifall gefunden und die Processionen seien dann allmälig, mit Bestätigung kirchlicher und weltlicher Gesetze, eingeführt worden. So viel ist gewiß, daß in der Kirche die Processionen schon im 4. Jahrh. bekannt und ausgeübt waren; mit besonderer Vorliebe wurden sie im Mittelalter gefeiert und noch jetzt sind sie in vielen katholischen Ländern ein gewohntes Bedürfniß. Ein Priester im Chorrocke mit dem Bilde oder auch mit der Fahne des Heiligen, dem die Feierlichkeit geweiht ist, eröffnet den Zug. Ihm folgen die Knaben, diesen die Jünglinge und unverheiratheten Männer, dann ein Diener der Kirche mit dem Weihwasser und Sprengwedel und ein anderer mit der dampfenden Weihrauchspfanne. Ihnen folgen Kreuz, Reliquien und Kerzenträger (in der Charwoche der hölzerne Leichnam Jesu, welcher in einem gläsernen Sarge liegt) mit den Priestern, denen die verheiratheten Männer und Greise, dann die Mädchen, Jungfrauen und Frauen sich anschließen. Oft begleitet auch Musik und Glockengeläute die Züge. Zu den feierlichsten Processionen gehören die Processionen am Fronleichnamsfeste (s.d.), die Processionen des heiligen Sacraments, bei welchem die geweihte Hostie unter einem kostbaren Himmel getragen wird, und die Processionen der Maria und der Schutzheiligen.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 580.
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