[201] Geschütze nennt man zum Unterschiede von den kleinern Gewehren (s.d.) die großen Angriffs- und Vertheidigungswaffen, deren man sich im Kriege bedient.
Im Alterthume bediente man sich großer Wurf- und Stoßmaschinen, vorzüglich nur gegen befestigte Orte, um die Mauern niederzuwerfen oder um durch geworfene Balken, Steine, glühende Kugeln u. dgl. Verwüstungen unter den Feinden anzurichten. (S. Kriegsmaschinen.) Nach Einführung des Pulvers in den Kriegsgebrauch warf man mit Hülfe desselben aus großen röhrenförmigen Stücken steinerne und eiserne Kugeln. Anfänglich bediente man sich auch dieser Geschütze nur in Festungen und gegen dieselben und verfertigte sie zu diesem Zwecke von ungeheurer Größe und Schwere; später aber nahm man dieselben mit in das Feld und machte sie von geringerer Größe und möglichster Leichtigkeit, um sie bequem transportiren zu können. Gegenwärtig bilden die Bedienung und den Gebrauch dieser Waffen eine eigne Truppengattung, die Artillerie (s.d.). Anfänglich setzte man die Geschütze aus eisernen Stäben zusammen, welche [201] von eisernen Reisen zusammengehalten wurden, doch kam man bald darauf, die Geschütze entweder aus Eisen oder aus sogenanntem Stückgut, einer Metallmischung von 100 Theilen Kupfer und 10 Theilen Zinn, zu gießen. Gewöhnlich gießt man das Geschütz massiv, sodaß die röhrenförmige Höhlung (die Seele) erst ausgebohrt wird. Ungewöhnlich große Geschütze sind unter Andern zwei Kanonen der Dardanellenschlösser, welche 800 Pfd. schwere steinerne Kugeln schießen; das 14 F. lange Geschütz, welches die Franzosen von Ehrenbreitstein nach Metz gebracht haben, das 330 Ctr. wiegt und eine Kugel von 141 Pfd. schießt; zwei große Mörser, die Napoleon zur Beschießung von Cadix gießen ließ, welche Bomben von 192 Pfd. werfen sollten und die gegenwärtig vor dem Zeughause zu Berlin stehen. Bekannt hat sich in neuester Zeit der hier abgebildete große Mörser gemacht, der bei der Beschießung der Citadelle von Antwerpen gebraucht wurde. Derselbe wog 14,000 Pfd. und schoß eine Bombe von 1000 Pfd. Gewicht.
Die Geschütze wurden früher eingetheilt in Karthaunen, Feldschlangen und Kammergeschütze. Die Karthaunen schossen Kugeln von 5–48 Pfd. und wogen 19–64 Ctr. Man wendet jetzt nur noch halbe Karthaunen als Festungs- und Belagerungsgeschütz an. Die gegenwärtig ganz außer Gebrauch gekommenen Feldschlangen zeichneten sich durch ihre Länge aus und trugen die Kugeln in sehr bedeutende Entfernungen; so soll eine, die sogenannte Diablesse, ihre Kugel drei Meilen weit fortgetragen haben. Je nach der Größe und Einrichtung unterschied man Drachen, Basilisken, Serpentinen u.s.w. Hierher gehört auch der Falke und das Falconet. Die Kammerstücke hatten auf dem Boden. eine engere Röhre, in welche die Ladung kam und welche die Kammer hieß. Man bediente sich derselben namentlich zum Werfen steinerner Kugeln. Zu ihnen gehören die Mörser und Böller.
Die noch jetzt gebräuchlichen Geschütze sind Kanonen, Haubitzen und Mörser. Die beiden letztern Gattungen werden als Wurfgeschütze bezeichnet, weil sie die Ladung in stärker gekrümmter Linie als die Kanonen forttragen. Man theilt die Geschütze auch ein in Feld-, Festungs- und Belagerungsgeschütze, und bestimmt ihre Größe entweder nach dem Durchmesser ihrer Seele, dem Kaliber, oder nach dem Gewichte der Kugeln, für welche sie bestimmt sind. Zu den Feldgeschützen rechnet man die 4-, 6-, 8- und 12 pfündigen Kanonen, und die 7- und 10 pfündigen, 42/5-, 51/2- und 8zölligen Haubitzen. Die größten der erwähnten Kanonen und Haubitzen heißen schwere Feldgeschütze. Alle noch schwerern Geschütze und die Mörser gehören zum Festungs- und Belagerungsgeschütz. Die Einführung der Geschütze beim Felddienst war erst möglich, nachdem man für eine bequeme Aufstellung derselben gesorgt hatte. Man bedient sich hierzu der Laffeten, auf denen das Geschütz mit zwei auf beiden Seiten stehenden Zapfen ruht, um welche es bewegt und so in jede beliebige Stellung gebracht werden kann.
Die Kanonen haben gegenwärtig im Allgemeinen eine Länge von 16–18 Kugeldurchmessern und wiegen der Zwölfpfünder 14–16 Ctr., der Sechspfünder 6–8 Ctr. Die ganze Kanone nimmt in ihrer Stärke von hinten nach vorn ab und wird äußerlich in drei Theile getheilt: das Bodenstück, welches in einen Knauf, der Traube, ausgeht; das Mittelstück mit den zwei Zapfen, Schildzapfen, auf denen die Kanone in den Pfannen der Laffete liegt und mit zwei oberwärts stehenden Handhaben, wegen der sonst gebräuchlichen Gestalt Delphine genannt; das lange Feld, das vorderste längste und dünnste Stück, vorn mit einer Verstärkung, dem halben oder ganzen Schiffskopf. Die Laffete der Kanone besteht aus zwei Pfosten, welche durch mehre Querhölzer verbunden sind, zwischen denen das Rohr liegt und welche auf zwei Rädern stehen. Im hintersten Querholz ist ein Loch, mit Hülfe dessen die Laffete, wenn die Kanone weiter befördert werden soll, an einen zweirädrigen Wagen, den Protzwagen, gehängt wird, auf dem ein Kasten mit Ladungen oder Cartouchen (Patronen) steht. Die Festungskanonen sind zum Theil anders aufgestellt. Das Losfeuern der Kanonen geschieht durch das am Ende der Seele von außen eingebohrte Zündloch gewöhnlich mittels einer Lunte oder mit einem gewöhnlichen Gewehrschlosse. In neuerer Zeit hat man wol auch ein mit Knallpulver gefülltes Schlagröhrchen aufgesetzt und durch einen Hammerschlag die Kanone gelöst. Ist beim Schuß die Kanone so gestellt, daß sich die Seele derselben genau in horizontaler Richtung befindet, so hat man einen Kernschuß; wurde dagegen in der Horizontalebene über den hintersten und vordersten Fries visirt und so die Stellung der Kanone bestimmt, einen Visirschuß, und endlich einen Bogenschuß, wenn die Mündung der Kanone über die Horizontalebene so gehoben wurde, daß die Kugel einen Bogen in ihrer Bahn beschreibt. Der Prellschuß oder Ricochetschuß findet beim Bogenschusse statt, sobald die Kugel den Boden trifft und dann noch eine Strecke weit in einzelnen Sätzen fortgeht. Beim Rollschuß sind diese Sätze sehr niedrig.
Die Haubitze ist kürzer und weiter als die Kanone. Man bedient sich ihrer, um Granaten, Brandkugeln und Kartätschen zu werfen. Die äußerliche Eintheilung der Haubitze ist dieselbe, wie bei den Kanonen. Inwendig unterscheidet man den Flug oder die Seele, durch welche die Granate herausfliegt; das Lager, den Theil, in dem die Granate oder Kugel im Zustande des Geladenseins sich befindet; die Kammer, den Theil, welcher das Pulver, die Ladung, enthält, und der Rost, das den Boden bildende Metallstück. Gewöhnlich beträgt die Länge des Flugs die eines Mannsarms; länger sind die russ. Haubitzen, die sogenannten Einhörner.
Der Mörser ist gewöhnlich nur etwa dreimal so lang, [202] als weit und wird äußerlich auch ebenso, wie die Kanone eingetheilt, nur daß die sogenannten stehenden Mörser die Schildzapfen nicht am Mittelstück, sondern am Bodenstück haben. Inwendig unterscheidet man die Kammer, in welche die Ladung, und den Flug, in welchen die Bombe kommt. Die gewöhnlichen Mörser sind gewöhnlich 7-, 10-, 25- und 50pfündig, sodaß ihre Bomben ungefähr noch einmal so viel wiegen, als die Zahlen angeben. Die Steinmörser pflegen einen Durchmesser des Fluges von 13 Zoll zu haben und werden zum Werfen von Steinen oder Kartätschen gebraucht. Die Handmörser oder Coehörner haben nur 31/2 Zoll Durchmesser und werden zum Werfen von Handgranaten gebraucht. Statt der Laffete haben die Mörser zur Unterlage zwei niedrige, starke Wände oder einen hölzernen Klotz. Die Fußmörser haben an ihrem untern Theil eine angegossene metallene Platte, welche die Stelle der Laffette vertritt und gegen welche sie in einem Winkel von 60–70° geneigt sind. Man bedient sich ihrer nur selten, weil ihre Stellung unveränderlich ist. Über Dampfgeschütz s. Dampf.