[359] Heilquellen, Mineralquellen, Gesundbrunnen werden Wasserquellen genannt, die je nach der Verschiedenheit ihrer Bestandtheile, ihrer Temperatur und ihrer Gebrauchsweise eine zwar verschiedene, aber in der Regel heilsame Wirkung auf den erkrankten menschlichen Körper ausüben. Ihre Geschichte verliert sich in die Fabelwelt. denn schon in sehr frühen Zeiten scheint man dergleichen heilspendende Quellen gekannt und verehrt zu haben. So besaß z.B. der Brunnen des Äskulap zu Pergamus einen großen Ruf, desgleichen die in dem Tempel der Demeter zu Paträ befindliche Wunderquelle, zu welcher ganze Scharen von Kranken wallfahrteten. Die alten Celten und Germanen (Deutschen) hatten ihre geheiligten Wasserquellen, deren sie sich nur zu gewissen Zeiten und zum Baden von Kranken bedienten. Später, als die Römer ihre Herrschaft und Sitten über den größern Theil des damals bekannten Erdkreises ausbreiteten, wurde der Gebrauch von Bädern. überhaupt, namentlich aber der von warmen Heilquellen, immer allgemeiner, wozu im Mittelalter die Vorliebe Karl's des Großen für die heißen Bäder von Aachen nicht wenig beigetragen haben mag. Schon die Römer kannten und benutzten zum Theil die Heilquellen von Aix, Acqui, Pisa in Italien, die von Aachen, Baden, Baden, Baden bei Wien, Gastein, Wiesbaden, Ems, Kissingen u.s.w. in Deutschland, die von Aix, Neris, Barèges in Frankreich. Erst in neuester Zeit jedoch hat man die Heilkräfte der einzelnen Heilquellen in hinreichendem Grade erforscht, um dieselben mit begründeter Hoffnung auf einen glücklichen Erfolg Kranken zum Gebrauche empfehlen zu können. In manchen Gegenden finden sich solche Quellen in großer Anzahl und gewöhnlich liegen mehre derselben nicht weit voneinander, der Lage und Richtung gewisser Gebirgszüge folgend. Im Allgemeinen kommen dieselben weit seltener in flachen, aus Schuttgerölle zusammengesetzten oder aus angeschwemmtem Erdreiche bestehenden Landstrichen vor als in Ur-und Flötzgebirgen und in Gebirgen vulkanischen Ursprungs. Die Schweiz, der Centralpunkt der europ. Gebirge, das eigentliche Hochland Europas, ist reich an kräftigen Gesundbrunnen, deren Mischungsverhältnisse im Allgemeinen dem nicht vulkanischen Charakter der Gebirge dieses Landes entsprechen. Italiens zahlreiche Mineralquellen entspringen in den Thälern oder am Fuße der mannichfaltigen vulkanischen Gebirgsverzweigungen, die dieses Land in allen Richtungen, aber vorzugsweise von Nordwest nach Südost, durchstreichen. Die Urgebirge Norwegens und Schwedens bieten zwar viele kalte Mineralwässer mit nur wenig festen Bestandtheilen, aber durchaus keine heißen dar. Großbritannien besitzt ebenfalls nur wenige heiße Gesundbrunnen, desto mehr aber kalte Eisen- und Schwefelquellen, die im Norden mit den basaltreichen Gebirgen Schottlands, südlicher mit den reichen Steinkohlenlagern Englands in einem offenbaren Wechselverhältnisse stehen. Rußland ist in seinem Norden arm an kräftigen Heilquellen, desto reicher aber an dergleichen in seinem Süden. Frankreich enthält in seinem nördl. und namentlich nordwestl. Theile nur wenige und unbedeutende Mineralquellen, desto mehre und wirksamere jedoch in dem Süden. Bekanntlich sind schon die Vogesen, Sevennen und die vulkanischen Gebirge von Auvergne mit kräftigen kalten und heißen Heilquellen reichlich ausgestattet, werden aber hierin noch beiweitem durch die Pyrenäen übertroffen. Zählt doch allein der Frankreich zugewendete und diesem angehörende Abhang des ebengenannten Gebirges mehr denn 30 verschiedene heiße Quellen. Deutschland hat zwar in seinem Norden, in den flachen Uferstaaten der Nord- und Ostsee, mit Ausnahme einiger Sool- und Salzquellen, keine einer besondern Erwähnung würdige Mineralbrunnen, ist aber in seinem gebirgigen mittlern und südl. Theile desto reichlicher damit gesegnet. Was nun die Entstehung der Mineralquellen im Allgemeinen anlangt, so ist dieselbe seit den ältesten Zeiten Gegenstand der verschiedenartigsten Nachforschungen gewesen. Zuweilen mit großer Ausdauer fortgesetzte Nachgrabungen haben keine Ergebnisse geliefert. Mehr Aufschluß, wenngleich noch nicht völlige Aufklärung, haben in neuester Zeit Chemie und Geognosie gewährt. Jede Heilquelle ist als ein Gesammtproduct aller derjenigen Stoffe zu betrachten, welche mit dem Wasser, das in der Quelle sich ergießt, auf irgend eine Weise in Verbindung gekommen sind. Durch diese Stoffe und die mit ihnen zugleich auftretenden, durch jener Zusammentreffen aufgeregten Naturkräfte sind chemische Verbindungen und Veränderungen unberechenbarer Art eingegangen und veranlaßt worden. Wie bei allem Natürlichen wirken auch hier unzählbare Kräfte zusammen, um die Erscheinung so herzustellen, wie sie auftritt. Die Mineralwasser gehören ohne Widerrede zu den mächtigsten Heilmitteln, welche dem Arzte zu Gebote stehen. Man bedient sich ihrer zum Trinken und Baden, als Douche, in Gestalt von Gas- und Dampfbädern, endlich ihres Schlamms zu Umschlägen, Einreibungen und zu den sogenannten Schlammbädern. Die verschiedene Art und Weise, wie man Heilquellen ärztlich zu benutzen pflegt, wird nach der chemischen Kenntniß ihrer Bestandtheile und Mischungsverhältnisse, sowie nach ihren durch die Erfahrung bestätigten Wirkungen angeordnet. Bei dem innerlichen Gebrauche der Heilquellen [359] bestimmen hauptsächlich ihr Gehalt, das Verhältniß der flüchtigen und festen Bestandtheile und der Grad der Temperatur ihre Wirkung. Je reicher an flüchtigen, je ärmer an festen Bestandtheilen ein Mineralwasser ist, um so leichter wird es innerlich vertragen, zumal wenn es gleichzeitig eine erhöhte Temperatur hat. Was die Bäder von Mineralwasser anlangt, die entweder mit Andern gemeinschaftlich oder in abgesonderten Badecabineten genommen werden, so hängt die Art und der Grad ihrer Wirksamkeit zunächst ebenfalls von der Beschaffenheit ihrer Mischung und ihrer höhern oder niedern Temperatur, aber auch von der Dauer ihrer Einwirkung ab. Bei der Anwendung der Heilquellen in Form der Douche kommt zwar die Temperatur und Beschaffenheit des Wassers auch in Betracht, fast noch mehr aber die mechanische Gewalt seiner Einwirkung, die Stärke und der Durchmesser des Wasserstrahls. Die Gewalt wird der Douche entweder durch einen hohen Fall oder durch einen mechanischen Druck mittelst einer eigens hierzu eingerichteten Douchemaschine verschafft. Die in Gestalt von Gas- und Dampfbädern gebrauchten Heilquellen äußern eine ungemein flüchtige, aber eindringende und kräftige Wirksamkeit. Dasselbe gilt von den Mineralschlammbädern, nur mit dem Unterschiede, daß bei diesen die Wirkung länger anhält. Die Wirksamkeit der Mineralwässer ist übrigens ein Grund, sich derselben nicht ohne ärztliche Berathung, besonders wenn man einen leidenden Körper hat, zu bedienen. Sie können, zu unrechter Zeit angewendet, wie jedes Heilmittel, ebenso sehr schaden als nützen. Eine besondere Vorsicht erheischt während des Gebrauchs einer Heilquelle die Lebensweise, besonders in Bezug auf Nahrungsmittel, und man hat sich in dieser Beziehung nach den Vorschriften des Arztes, welchem die specielle Aufsicht über die zu benutzende Heilquelle anvertraut ist, zu richten. Einer Anführung und Beschreibung einzelner Heilquellen können wir uns überheben, indem die wichtigern derselben in eignen Artikeln behandelt sind. (Vergl. Bäder und Quellen.)