Jagd

[478] Jagd, Jägerei oder Waidewerk heißt ursprünglich nur die Verfolgung und Erlegung des Wildes, welche mit der Zeit immer kunstmäßiger ausgebildet und auf die Kenntniß von der Natur des verschiedenen Wildes gegründet worden ist. Da aber das Vergnügen und der Nutzen der Jagd bald ein Ende haben würden, besonders in überall sorgsam angebauten Gegenden, wenn man nur die Ausrottung, nicht auch die Erhaltung des Wildes vor Augen hätte, so ist ein zweiter Haupttheil der Jägerei entstanden, welcher sich mit der Anlegung, Verpflegung und sonstigen Behandlungsart des Wildstandes sowol in Bezug auf die natürliche Beschaffenheit des Wildes, als in Betracht der Gegenden, in welchen dasselbe vorkommt, beschäftigt. Die Jäger haben unter sich zur scharfen Bezeichnung aller der Einzelnheiten, welche auf der Jagd vorkommen, der Theile des Wildes u.s.w. eigne Kunstausdrücke eingeführt, welche in ihrer Gesammtheit die Jagd- oder Jägersprache bilden.

Die Naturgeschichte des Wildes bildet die Grundlage der gesammten Jägerei, denn durch sie wird sowol die Pflege bestimmt, welche man jeder Art von Wild zukommen lassen muß, damit es nicht umkomme oder verkomme und damit es sich in hinreichender Anzahl vermehre, als auch die Art, nach welcher man seiner am leichtesten und vortheilhaftesten habhaft wird. Eine allgemeine, sehr nahe liegende Regel ist es, daß man das Wild nicht zu der Zeit verfolge, während welcher die Mütter trächtig sind, und daß man weder Männchen noch Weibchen in einem Grade ausrotte, daß die Fortpflanzung nur mangelhaft geschehen kann. Zur Wildzucht gehört ferner, daß man weiß, welche Art von Wild in einer Gegend gepflegt werden könne, denn nicht jede Art von Boden eignet sich für jedes Wild. So hält sich das Rothwild nur in großen Laubholzwaldungen auf, in denen keine Störungen vorkommen und in denen es klares Wasser, sowie Wiesengründe findet. Brüche, Eichen- und Buchenwaldungen eignen sich für Schwarzwild u.s.w. Wichtig ist endlich der Wildschutz; dieser besteht in der Ausrottung des sogenannten Raubzeuges (Wölfe, Füchse, Iltisse, Wiesel, Raubvögel), das dem Wildstande nachtheilig ist, und in dem Schutze vor Wilddieben, unzeitiges Jagen und Beunruhigung der Waldungen, in welchen sich das Wild aufhält.

In Bezug auf das jagdbare Wild theilt man die Jagd in hohe, mittlere und niedere Jagd, rechnet aber in manchen Gegenden die mittlere mit zur hohen Jagd. Zu dieser gehört die Jagd auf Rothwild, Damwild, Bäre, Wölfe, Luchse, Trappen, Fasanen, Kaninchen, Schwäne, Auerhühner; die mittlere Jagd ist auf Rehe, Schwarzwild, Birkhähne, Haselhühner, große Brachvögel gerichtet, während alles übrige Wild der niedern Jagd zufällt. Der Mittel, deren man sich zur Habhaftwerdung des Wildes bedient, gibt es sehr viele und sehr verschiedene. Am gebräuchlichsten ist das Schießgewehr. Mit diesem kann der Jäger allein oder mit wenigen Gefährten gegen Niederwild auf die Suche, gegen das Rothwild auf den Pürschgang, das Waidewerken gehen. Bei der Suche bedient man sich eines Hühnerhundes, der durch den Geruch (mit der Nase) das Wild aufsucht. Wenn der Hund nicht weit von einem Wilde entfernt ist, bleibt er stehen (markirt) und macht dadurch den Jäger aufmerksam, welcher ihn nun einspringen und das Wild aufjagen läßt. Der Jäger schießt das aufgescheuchte Wild und der Hund apportirt es. Beim Pürschgang muß der Jäger auf die Fährte des Wildes achten, welche er anzusprechen verstehen muß, d.h. er muß Alter, Beschaffenheit und Geschlecht des Wildes aus ihr erkennen. Wer dieses versteht, ist ein hirsch-und fährtengerechter Jäger. Beim Pürschgange hat der Jäger einen Hund (Schweißhund) bei sich, welcher auf den Schweiß gearbeitet ist, d.h. welcher darauf abgerichtet ist, daß er das angeschossene (kranke) Wild, welches auf seiner Spur Blutstropfen (Schweiß) hinterläßt, verfolgt. Der Jäger führt den Hund an einer Leine, der Schweißriemen genannt, bis das Wild verendet oder noch lebend gefunden wird; im letztern Falle muß es durch einen zweiten Schuß vollends getödtet werden. Begeben sich zwei Jäger zusammen auf den Pürschgang, so stellt sich der eine, während der andere das Wild beschleicht, in der Nähe des Wechsels, d.h. des Ortes, durch welche das Wild, wie die Fährte lehrt, zu gehen pflegt, um es hier zu erlegen, im Falle es ihm zu Schuß kommt. Eine von der eben erwähnten verschiedene Jagdart ist der Anstand oder Ansitz, die Kuro, wobei der Jäger, nachdem er die Wechsel des Wildes wohl ausgekundschaftet, auf den Windzug Rücksicht genommen und sich so viel als nöthig verborgen hat, das Wild stehend oder sitzend erwartet, bis es von selbst in seine Nähe kommt. Mehr Wild, als bei den bisher angegebenen Jagdarten, wird in kürzerer Zeit bei den Treibjagden gewonnen. Hier nämlich ist stets eine Gesellschaft von Jägern zusammen, welche sich in nicht zu großen Abständen voneinander aufstellen, indem sie eine gerade, halbmondförmige oder gebrochene Linie bilden. Eine entsprechende Anzahl [478] von Treibern rückt aus der entgegengesetzten Richtung gegen die Schützen an und treibt das Wild auf sie zu. Außer den bisher erwähnten Jagdarten gibt es nun aber auch noch viele andere, besonders gegen das Hochwild, indem man sich außer und neben dem Schießgewehre entweder aufgestellter Netze, Tücher oder Lappen bedient, oder mit einer großen Anzahl von Hunden (einer Meute) das Wild verfolgt. Dieses Letztere geschieht namentlich bei der Parforcejagd. Die Parforcehunde und hinter ihnen die zu Pferde sitzenden Jäger verfolgen das Wild, zu dem man in der Regel einen starken Rothhirsch ausersieht, so lange, bis er vor Zorn oder Mattigkeit sich stellt und nun von dem Jäger durch eine Kugel vor den Kopf oder einen Stich mit dem Hirschfänger in das Herz getödtet wird. Diese Art zu jagen ist die kostspieligste und nur auf das Vergnügen, welches die Verfolgung des Wildes macht, berechnet; das Revier muß eigens für sie mit Wegen eingerichtet sein. Aus diesem Grunde sind die Parforcejagden, denen man noch überdies den Vorwurf der Grausamkeit gemacht, in neuerer Zeit, wenigstens in Deutschland, fast gänzlich abgekommen. Auch Schweine, Füchse, Dachse, Hafen sind zuweilen parforce gejagt worden; häufiger aber bedient man sich gegen sie der Hetze durch abgerichtete Hunde. Füchse und Dachse sucht man häufig in ihren Bauen auf, beobachtet die Löcher und sucht sie durch in den Bau geschickte kleine Dachshunde oder Rauch aus den Bauen hervorzutreiben, oder man läßt die Dachshunde in den Bau und beobachtet, wo sie durch ihr Gebell anzeigen, daß das verfolgte Thier liegt. Hier gräbt man dann nach, zieht es mit einem Haken oder einer Zange heraus und schlägt es todt. Des Frettchens (s.d.) bedient man sich, wie gegen die Füchse der Dachshunde, auf eine ähnliche Art in Kaninchenbauen. Ottern und Bibern, welchen man mit dem Schießgewehre nur selten beikommen kann, sowie Wölfen, Füchsen, Mardern und anderm Raubzeuge stellt man mit Fallen, Fangeisen, Wolfs- und Bärengruben und andern sehr mannichfaltigen Vorrichtungen nach. Ebenso mannichfaltig sind die verschiedenen Netzvorrichtungen, mit denen man gegen Vögel Jagd macht, z.B. die Lerchentaggarne, die aus mehren Wänden ziemlich hoher Garne bestehen, welche um Sonnenuntergang gegen Osten aufgestellt werden, sodaß die Lerchen auf sie zugetrieben werden und in ihnen hängen bleiben. Auch mit Schlingen wird allerlei Jagdwild gefangen. Fangschlingen von geglühtem Draht wendet man gegen Hafen und Wiesel an, Laufdohnen von Pferdehaaren gegen Schnepfen, Enten u.s.w., Hängedohnen und Sprenkel gegen Drosseln und andere kleinere Vögel.

Das Jagdrecht, welches bestimmt, wer das Recht zu jagen hat und unter welchen Bedingungen, enthält fast in jedem Staate andere Bestimmungen, denn der Grundsatz, daß Jeder eines ihm vorkommenden Wildes als einer herrenlosen Sache sich bemächtigen könne, ist längst in allen civilisirten Staaten abgekommen. Das Recht zu jagen ist entweder als ein Regale (s.d.) oder als ein Vorrecht einzelner Grundbesitzer erklärt worden. In Preußen und Sachsen ist das Jagdrecht Regale und kann von Privatpersonen nur dann ausgeübt werden, wenn sie es besonders erworben haben. Die Rittergüter haben in Preußen gewöhnlich die niedere Jagd. Die Jagdzeiten sind gesetzlich bestimmt, ferner die Wildschäden Entschädigungen welche Grundeigenthümer wegen des Schadens verlangen können, der ihnen vom Wilde zugefügt worden, ebenso die Jagdfrohnen, zu welchen die Unterthanen verpflichtet sind und die in Treiberdiensten und Wegschaffen des erlegten Wildes bestehen. Doch hat man die letztern entweder bereits abgeschafft oder ist in deren Abschaffung begriffen. Auf den Jagdverbrechen und Jagdfreveln, welche vorzüglich in unerlaubter Jagd von Wildschützen geübt werden, standen ehemals bis zu grausamen Todesstrafen gehende Ahndungen; gegenwärtig sind aber auch in dieser Beziehung mildere gesetzliche Bestimmungen eingetreten. In Östreich steht das Jagdrecht in weitester Beziehung der Grundobrigkeit zu, welche dasselbe auch verpachten kann. In Frankreich sind in Folge der Revolution die früher sehr beschwerlichen Jagdrechte der Grundbesitzer abgeschafft worden und es ist Jedem freigegeben, auf seinem Eigenthume der ihm vorkommenden wilden Thiere sich zu bemächtigen.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 478-479.
Lizenz:
Faksimiles:
478 | 479
Kategorien:

Buchempfehlung

Grabbe, Christian Dietrich

Herzog Theodor von Gothland. Eine Tragödie in fünf Akten

Herzog Theodor von Gothland. Eine Tragödie in fünf Akten

Den Bruderstreit der Herzöge von Gothland weiß der afrikanische Anführer der finnischen Armee intrigant auszunutzen und stürzt Gothland in ein blutrünstiges, grausam detailreich geschildertes Massaker. Grabbe besucht noch das Gymnasium als er die Arbeit an der fiktiven, historisierenden Tragödie aufnimmt. Die Uraufführung erlebt der Autor nicht, sie findet erst 65 Jahre nach seinem Tode statt.

244 Seiten, 9.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.

434 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon