Lilie

[747] Lilie ist in der Gärtnerei der gemeinschaftliche Name für mehre Gewächse verschiedener Gattung, welche aber alle zwieblige oder knollige Wurzeln, schmale lange Blätter, Blumen ohne Kelch, oder mit bloßer Scheide haben, in Gärten als Zierblumen angebaut und durch Zertheilung der Stöcke fortgepflanzt werden. In diesem weitern Sinne rechnet man darunter die Affodilllilie (Hemerocallis), Schwertlilie (Amaryllis, Fritillaria) u.a.m. Im engern Sinne aber versteht man darunter die Pflanzengattung Lilium nach ihren verschiedenen Arten. Hierzu gehört die Feuerlilie, mit aufrechten, glockenförmigen, orangefarbigen Blüten, in Thüringen und andern Gegenden Deutschlands einheimisch; die weiße Lilie, weißblühend, sehr wohlriechend, welche aus Syrien herstammt. Wegen ihrer reinen Weiße wurde sie schon seit dem frühesten Alterthume als Sinnbild der Reinheit und Unschuld gebraucht. Ferner gehören unter die Lilien der scharlachrothe Türkenbund mit herabhängenden Blumen und zurückgerollten Blumenblättern, in Persien und Kärnten einheimisch, sowie der gemeine Türkenbund, von gleicher Gestalt, aber mit fleischfarbigen, braunroth punktirten Blumenblättern, welcher sich in den deutschen Bergwäldern findet; die Tigerlilie mit warzig gefleckten, rothen Blumen, aus China stammend, u.a.m. Alle Lilien lieben einen mäßig feuchten, locker und tief gegrabenen, fetten Sandboden und gedeihen am besten im freien Lande. Man verpflanzt die Zwiebeln alle 3–4 Jahre im Sept. und Oct. in frisch zubereiteten Boden, nachdem man sie von der Brut befreit hat, je nach ihrer Größe 3–6 Zoll tief und 10–16 Zoll voneinander; die kleinen Ansetzlinge dagegen nur 1–2 Zoll tief und 1–3 Zoll voneinander. Gegen Frost müssen sie bedeckt werden, oder man durchwintert sie auch in Töpfen. Blätter und Blumenblätter von der weißen Lilie dienen, etwas gequetscht, zum Heilen von Wunden; auch gibt das Digeriren der frischen Blumenblätter der weißen Lilie mit reinem Baumöl das sogenannte Lilienöl, welches als heilendes Mittel bei Brandschäden populairen Werth hat. Ebenso zieht man auch über frische vom Stengel abgeschnittene Blüten der weißen Lilie Branntwein ab und nennt das Destillirte Lilienwasser; gewinnt auch durch Zerstoßen der Blüten der ganz blauen Iris oder Schwertlilie in einem messingenen Mörser, indem man etwas gestoßenen Alaun hinzuthut, den Saft durch ein Tuch drückt und gelind eintrocknen läßt, das sogenannte Liliengrün. Von den Lilien kommt auch der Ausdruck Liliaceen, welcher die natürliche Pflanzenfamilie bezeichnet, die sich durch Abwesenheit der Blumenscheide vor andern Blumen charakterisirt. – Die Lilie ist auch in die Heraldik (s.d.) als Symbol aufgenommen. Sie wird hier durch eine Figur dargestellt, welche nach oben aus einer aufrechtstehenden, lanzettförmigen Spitze, mit an beiden Seiten ähnlichen, nur abwärts gekrümmten Blättern, nach unten zu aus gleicher, nur kleinerer Spitze, aber mit zwei aufrecht stehenden verhältnißmäßigen Blättern zur Seite besteht, welche beide einander entgegenstehenden Theile in der Mitte durch ein Band verbunden sind. Die Entstehung dieser Figur leitet man von der Nachahmung der Iris, jedoch auch von der einer Hellebardenspitze her. Die Könige von Frankreich nahmen sie in ihr Wappen auf und ihr Gebrauch datirt sich von dem Jahre 1179 unter Ludwig VII.; der beständige Gebrauch der drei Lilien im franz. Wappen aber beginnt erst mit Karl VI.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 747.
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