Syrien

[348] Syrien, ein zum osmanischen Reiche gehöriges, gegenwärtig dem Vicekönig von Ägypten unterworfenes Land, welches nördl. von Kleinasien, östl. vom Euphrat und der großen Wüste, südl. vom steinigen Arabien und westl. vom mittelländ. Meere begrenzt wird. Die Türken nennen es Suristan, häufiger noch wie die Araber Al Scham, d.h. das Nördliche. In der heiligen Schrift wird es mit dem Namen Aram bezeichnet. Geologisch merkwürdig ist das Land durch die zum Theil außerordentliche Zerklüftung seiner Kalkgebirgsmassen. Durch die Thäler des südl. strömenden Jordan und des nördl. gehenden Orontes zerfällt S. in drei nebeneinander liegende Theile. Der östlichste Theil ist eine ausgedehnte Steppen-, Sand- und Felsfläche, 2000 F. über der Meeresfläche; jenseit des Orontes und Jordan liegt dann ein hoher, steile Thäler gegen die Flüsse bildender Gebirgszug, und westl. von diesem liegt der schmale Küstenstrich am mittelländ. Meere mit den Häfen, welche ihn schon in den frühesten Zeiten berühmt machten. Zwischen den Quellen des Orontes und Jordan steigt das Gebirge im Libanon bis zu 9–10,000 F. empor. welcher durch das tiefe Thal von Cölesyrien vom Antilibanon getrennt wird. Gegen Süden von diesem Gebirgslande erstreckt sich das altberühmte Palästina (s.d.), ein Hochland, welches sich durchschnittlich 3000 F. über dem Meeresspiegel hält. Nördl. vom Libanon liegt Syrien im engern Wortsinn, ein Hochland mit Gipfeln von 6–7000 F. Höhe. Östl. von dem hohen Küstenlande breitet sich bis zum Frat hin die leblose syrisch-arabische Wüste aus. Bekannt sind die Seen S.'s: das todte Meer und der See Tiberias, zu denen noch mehre andere kommen. Unter den Producten S.'s sind auszuzeichnen: Getreide aller Art, Mais, Reis, Sesam, Durra (eine Art Gerste), Oliven, Datteln, Granatäpfel, Citronen, Pomeranzen, Feigen, Pfirsichen, Aprikosen, Äpfel, Pflaumen, Johannisbrot, Pistazien, Wein, Taback, Eicheln, Cypressen, Cedern, Maulbeerbäume, Mastix, Baumwolle, Büffel, Schafe mit Fettschwänzen, Ziegen, Gazellen, Kameele, Gemsen, Schweine, Bienen, Seidenwürmer, Purpurschnecken, Eisen, Marmor, Kalk. Die 21/2 Mill. Menschen, welche S. bewohnen, gehören den verschiedensten Nationen an: Griechen, Araber, Türken, Juden, Franken (Europäer), Armenier, Turkomannen, Kurden, Beduinen, Ruschowanen, Ansarier, Maroniten, Drusen und Motualis. Die alte syrische Sprache ist längst untergegangen und dafür ist die arabische zur Landessprache geworden. Auch von der ehemals in diesen Gegenden herrschenden Bildung ist fast keine Spur mehr zu finden, Aberglaube und Unwissenheit sind an die Stelle derselben getreten. Im J. 1833 eroberte Ibrahim, der Sohn des Vicekönigs von Ägypten, das Land, welches diesem nebst dem Bezirk von Adana gegen einen jährlichen Tribut von der Pforte überlassen wurde. Mohammed Ali hat es mit der Gewalt der Waffen durch seinen Sohn Ibrahim immer wieder unterworfen, wie oft es sich auch seitdem empört hat; der stete Zustand des Bürgerkriegs, in welchem es sich auch gegenwärtig, wenigstens theilweise, wieder befindet, hat es aber vollends aller seiner besten Kräfte beraubt. Noch ist es ungewiß, ob es Mohammed Ali gelingen wird, sich zum unumschränkten Herrn S.'s sowie seiner übrigen Besitzungen zu machen. Unter der türk. Herrschaft zerfiel S. in die vier Ejalets: Haleb, Tarablus, Akka und Damas. – Haleb, der nördl. Theil von S., umfaßt 461 ! M. mit 450,000 Einw. In ihm liegen die Hauptstadt Aleppo oder Haleb (s.d.) und die Städte: Antakia (Antiochia) mit 18,000 Einw., worunter 3000 Christen; Killis mit 11,000 Einw. und andere. – Im Ejalet Tarablus von 261 ! M. mit 315,000 Einw. liegt die Hauptstadt Tarablus oder syrisch Tripolis. Dasselbe ist aus den drei alten phöniz. Städten Tyrus, Sidon und Aradus entstanden, liegt am Fuße des Libanon und wird von 10,000 Einw. bewohnt. Es enthält elf Moscheen, eine maronitische Kirche, zwei griech. Kirchen, vier katholische Klöster, ist Sitz eines griech. Bischofs und hat einige Fabriken und nicht unbedeutenden Handel. El Myna, der Hafen von Tarablus mit 3000 Einw., hat große Magazine und Schiffswerfte. Ladikiah (Laodicäa) mit 8000 Einw. ist auch Sitz eines griech. Bischofs, hat zwölf Moscheen, ein katholisches Kloster und schöne Ruinen von Marmor und Granitsäulen. Markab ist Hauptsitz der Zabier oder Johannisjünger. (S. Johannes der Täufer.) Der Bezirk Dschebbel ist das Land der Maroniten (s.d.), in der Mitte des Libanon. Auf einem Felsen liegt das Schloß Dschebbel, wo der Emir der Maroniten wohnt. Kanobin, ein berühmtes Kloster der Maroniten, besteht aus meist in den Felsen gehauenen Grotten und ist Sitz eines maronitischen Patriarchen. Im Lande der Nosairen (Ansarier) ist Baluhile der Hauptort. Das Land der Ismaeliten, welche sich auch wie die Maroniten und Nosairen selbst regieren, liegt wie jenes in einem Gebirgsstriche des Libanon. – Akka, der mittlere Theil von S. und Cölesyrien, das alte Phönizien [348] und ein Theil von Palästina, umfaßt 251 ! M. mit 426,000 Einw. Die Hauptstadt Akka, St.-Jean d'Acre (Ptolemais) am Fuße des Berges Karmel mit dem griech. Eliaskloster ist befestigt, liegt in einer an Dattelpalmen reichen Gegend und zählt 10,000 Einw. Es hat eine Citadelle, sechs Moscheen, eine katholische, eine griech. und eine armenische Kirche, eine Synagoge, zwei Bazars, einen Hafen und ist Sitz eines griech. Erzbischofs, sowie der Hauptmarkt des syrischen Baumwollenhandels. Unter Napoleon wurde es 1799 zwei Monate lang vergeblich belagert. Beirut oder Barut am Meere, mit 8000 Einw., ist Sitz eines griech. und maronitischen Bischofs und hat drei Moscheen, eine maronitische, eine griech., eine griech.-katholische und eine katholische Kirche, Fabriken und Handel. Es ist Sammelplatz der Karavanen nach Kairo und Mekka. Altberühmte Städte sind Nasra (Nazareth) mit 2000 Einw., Tur (Tyrus) mit 8000 Einw., auf einer Halbinsel und mit merkwürdigen Ruinen; Tabarje (Tiberias) am See gleichen Namens mit 4000 Einw.; Kaisarie (Cäsarea) mit bedeutenden Bauüberresten. In dem Districte Kesruan findet man bei dem Dorfe Baalbek die Ruinen eines großartigen Sonnentempels und eines herrlichen Palastes. Im District Schuf wohnen Drusen unter einem Großemir, der zu Dhair el Khamar residirt. In der Umgegend von Baalbek leben die Mutualis, fanatische Verehrer des Ali und der elf Imams seines Stammes, die ihm im Khalifat folgten, eine unter einem eignen Emir stehende Räuberbande. – Zum Ejalet Damas, dem südöstl. Theile S.'s mit Palästina, 1259 ! M. mit 1,250,000 Einw. umfassend, gehören sechs Sandschaks. Damas oder Damaskus (s.d.) und Soliman oder Jerusalem (s.d.) sind Hauptstädte der gleichnamigen Sandschaks. Im letztern liegen noch Hebron, Beit el Ham oder Bethlehem (s.d.), Richa, das alte Jericho. Im Sandschak Razze liegen die Hauptstadt Razze oder Ghasc (das alte Gaza) mit 5000 Einw., vier Moscheen, einer griech. und einer armen. Kirche und einigen Festungswerken, und Jaffa (ehemals Joppe) am Meer mit einem Hafen, dem gewöhnlichen Landungsplatze europ. Pilger. Zum Sandschak Nablus gehört die gleichnamige Hauptstadt, welche einst Sichem, dann Flavia Neapolis hieß, am Berge Garizim, mit 10,000 Einw. Hier leben noch etwa 30 Familien Juden aus der Sekte der Samariter, welche einen Tempel und einen Oberpriester haben. Hamah (Aman) im gleichnamigen Sandschak, am Orontes, hat 30,000 Einw., welche Fabriken und Handel betreiben. Hems (sonst Emesa) im gleichnamigen Sandschak hat 10,000 Einw., Tadmor (sonst Palmyra) prachtvolle Ruinen, worunter eine 3500 F. lange doppelte Colonnade.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 348-349.
Lizenz:
Faksimiles:
348 | 349
Kategorien: