Madrid

Madrid

[10] Madrid, die Haupt- und Residenzstadt des Königreichs Spanien und der Hauptort der Provinz Neucastilien (s. Castilien), liegt fast im Mittelpunkte der pyrenäischen Halbinsel, 1842 F. über dem Meere, in einer Ebene am Manzanares, hat 31/2 Stunde im Umfange, 64 Stadttheile, 15 Thore und 115,000 Einw.

Sie führt den prächtigen Titel der »sehr edlen, rechtlichen, berühmten und heroischen Stadt«, bildet ein unregelmäßiges Viereck und ist nur von einer gewöhnlichen Mauer umgeben. Wie die Umgebung M.'s mit der andrer großen Städte nichts gemein hat, indem man in seiner Nähe weder zahlreiche Dörfer, noch Gärten, Landhäuser und dergl., sondern nur eine Art Einöde erblickt, ebenso eigenthümlich sind auch die Zustände im Innern. Die meisten nicht kürzlich neugebauten Häuser sehen gar nicht aus, als könnten sie eine bequeme Wohnung gewähren; viele haben noch Fenster mit kleinen viereckigen, in Blei gefaßten und meist blinden Glastafeln, die überall angebrachten Balcone nehmen sich mitunter sehr baufällig aus, und oft lehnt sich an den prächtigsten Palast eine armselige Hütte. Die meisten Straßen sind jedoch ausnehmend reinlich, gut gepflastert und mit Bürgersteigen von Steinplatten versehen; die schönste Straße ist die 1/2 Stunde lange und sehr breite Calle (sprich Calje, d.i. Straße) de Alcala, in deren zahlreichen Wirthshäusern die meisten Fuhrleute, Landkutscher und Maulthiertreiber einkehren. Sie führt vom Thore von Alcala ansteigend nach dem sogenannten Sonnenthor (Puerta del Sol), was aber kein Thor, sondern ein fast im Mittelpunkt M.'s gelegener, nicht sehr großer Platz ist, den ein Springbrunnen und das prächtige Postgebäude zieren und von dem hier eine Ansicht gegeben ist. Dieser Platz bildet den Hauptversammlungsort der Bevölkerung zu allen Stunden des Tages, namentlich aber bei Sonnenuntergang, und spielt daher bei Volksbewegungen immer eine Rolle; nördl. stößt daran die Calle de Montera, wo sich die glänzendsten Kaufladen befinden. Ausgezeichnete Plätze sind außerdem der Kornmarkt (Plaza de la cevada) und der viereckige, ziemlich regelmäßige, große Marktplatz (Plaza [10] major), auf dem bis zur Mitte des vorigen Jahrhunderts die Autos da Fe (s.d.) stattfanden. Zu den vorzüglichsten Gebäuden von M. gehören: das an der westl. Seite der Stadt, nahe am Manzanares von Philipp V. 1737 erbaute neue kön. Schloß, welches ein längliches Viereck bildet, drei Stockwerk unter und fünf über der Erde hat und vielleicht das kostbarste in Europa ist; ferner das Zollamtsgebäude; der Palast des Herzogs von Medina; das Rathhaus; vor dem prächtigen Thor de Alcala das alte kön. Schloß Buen-Retiro, dessen Gärten einen schönen Spaziergang gewähren, und das Amphitheater, wo die Stiergefechte gehalten wurden. An der Ostseite der Stadt liegt der Prado, eine aus mehren Baumreihen nebeneinander bestehende Promenade, den des Abends zu Wagen, zu Roß und zu Fuß die elegante Welt zahlreich besucht. Eine Wasserleitung führt der Stadt aus dem nordw. gelegenen Guadaramagebirge das mangelnde Trinkwasser zu und vertheilt es in 32 Brunnen, von wo es durch zünftige Wasserträger in die Häuser geschafft wird. Die Kehrseite von M. sind die Barrios bajos oder untern Stadttheile, wo man nur Schmuz und Armuth und elende Wohnungen sieht und wohin sich kein wohlgekleideter Mann wagen kann, ohne arg belästigt und vielleicht gar thätlich beleidigt zu werden. Vor den neuesten Umgestaltungen in Spanien (s.d.) zählte M. 37 Mönchs- und 25 Nonnenklöster und 77 Kirchen, von denen die der Salesianerinnen oder Nonnen von der Heimsuchung Mariä die größte war. Es gibt hier 19 Hospitäler, darunter mehre ausgezeichnete, ein Findelhaus, Leihhaus, eine Bank, mancherlei Fabriken, drei Theater, mehre Bibliotheken, kunstwissenschaftliche Sammlungen, eine Universität, 13 Akademien und andere gelehrte Vereine und Bildungsanstalten. Da nach M. stets viel Bewohner der Provinzen kommen, so erhält dadurch der Verkehr in den lebhaften Straßen einen sehr malerischen Charakter, indem man dort neben eleganten Städtern und glänzenden Uniformen, Valencianer mit hellfarbigen Mänteln und nach maurischer Art ums Haupt gewundenen Tüchern, Bewohner von Estremadura mit breiten, büffelledernen Gürteln, wildblickende Catalonier mit ihren rothwollenen, auf die Schultern herabhängenden Mützen, gebräunte Andalusier mit übermäßig langen Schnurbärten, plumpe und schmuzige Galicier erblickt, wozu früher noch die zahlreichen Mönche und Priester sich gesellten. M. ist seit Philipp II. Residenz der Könige von Spanien, zu bestimmten Zeiten des Jahres pflegte jedoch der Hof in Aranjuez, San-Ildefonso oder La Granja und in Escurial zu verweilen.

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Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 10-11.
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