Marius

[61] Marĭus (Cajus), ein Mann von niederer Herkunft, ohne wissenschaftliche Bildung, aber mit großen Talenten ausgestattet, der siebenmal die Würde eines Consuls im alten Rom bekleidete, war in einem Dorfe der Volsker geboren. Roh und grausam, aber beharrlich und entschlossen von Charakter, bahnte er sich mit Hülfe seines natürlichen Verstandes, kriegerischen Muths und einiger Gönner, namentlich des Consuls Cäcilius Metellus, den Weg vom gemeinen Soldaten zum Volkstribun (119 v. Chr.). Als solcher gewann er sogleich die Liebe des Volks durch ein Gesetz, welches bei den Wahlgeschäften desselben den Einfluß der Patricier beschränkte und das er gegen den Willen der Consuln und des Senats durchsetzte. Ebenso erwarb er sich in den folgenden Jahren als Prätor in Rom und Proprätor von Spanien durch seine Amtsführung die allgemeine Zufriedenheit und erhielt dann im Kriege gegen Jugurtha von Numidien Gelegenheit, sich unter Metellus auszuzeichnen, wußte aber, undankbar genug, seine Verdienste auf dessen Kosten so zu heben und gewann das Volk durch Versprechungen so für sich, daß er 107 v. Chr. zum Consul und zum Oberbefehlshaber in der Statthalterschaft Numidien ernannt wurde. Da die von ihm beleidigten Patrizier es verweigerten, in das neu zu errichtende consularische Heer zu treten, hob M. zum ersten Mal Legionen aus der untern, vom Kriegsdienst gesetzlich ausgeschlossenen und darum verachteten Volksclasse aus und besiegte mit diesem neuen Heere den Jugurtha durch List und Gewalt. Dabei hatte ihn aber Cornelius Sulla als Anführer der Reiterei wesentlich geholfen und da dieser von vornehmer Herkunft war, schrieben ihm die röm. Patrizier das Hauptverdienst zu, was der Grund des unbegrenzten Hasses wurde, den M. von da an gegen Sulla hegte. Um diese Zeit ängstigte das Andringen der Cimbern und Teutonen das röm. Volk und M. wurde 104 v. Chr. abermals zum Consul gewählt; er benutzte die Zeit, wo jene Völkerschaften durch Gallien und Spanien zogen, zur Bildung eines tüchtigen Heeres, weshalb er auch in den folgenden zwei Jahren Consul blieb. Als endlich die Feinde sich in zwei Haufen gegen Italien wendeten, schlug M. zuerst die Teutonen und Ambronen bei Aquä Sextiä, dem jetzigen Aix im franz. Departement der Rhonemündungen, wofür er zum fünften Male Consul wurde. Die ihm zugleich zuerkannte Ehre des Triumphs wollte er erst annehmen, nachdem er sie durch Besiegung der Cimbern verdient habe, die auch wirklich im I. 101 v. Chr. auf den raudischen Feldern bei Verona von M. und seinem Mitconsul Catulus völlig besiegt wurden. (S. Cimbern.) M. wurde in Rom als Retter des Staats empfangen, im I. 100 zum sechsten Mal zum Consul gewählt und strebte nun, sich die Gunst des Volks zu sichern, indem er die Vorrechte der Patrizier verminderte; allein bei der nächsten Wahl übergangen, begab sich M. aus Verdruß auf einige Zeit nach Asien und fand bei seiner Wiederkehr, daß der gehaßte Sulla in hoher Gunst beim Volke stand. Schon damals wäre es fast zu offenen Feindseligkeiten zwischen Beiden gekommen, welche später der Krieg mit den ital. Bundesgenossen (91–88 v. Chr.) verhinderte, in dem auch M. als Unterfeldherr einige Siege gewann. Als hierauf der Krieg mit dem König Mithridates [61] in Asien ausbrach und Sulla vom Senat zum Oberfeldherrn gegen denselben gewählt wurde, trieb der Volkstribun Sulpicius den Sulla aus der Stadt, setzte die Ernennung des M. mit Gewalt durch und begann so den Bürgerkrieg zwischen beiden Nebenbuhlern. Sulla kehrte jedoch mit seinem Heere in die Stadt zurück, erklärte den geflohenen M. und seinen Sohn in die Acht und der Erstere ward nackt aus einem Sumpfe gezogen, wo er sich vor seinen Verfolgern zu bergen suchte, und nach Minturnä gebracht, wo man das in Rom über ihn gesprochene Todesurtheil vollziehen lassen wollte. Der damit beauftragte cimbrische Sclave ließ aber bei M.'s Worten: »Elender, wagst du, den M. zu tödten!« das Schwert fallen und M. ward nun mit einem Schiffe nach Afrika geschickt, wo er mit seinem Sohne zusammentraf. Inzwischen war während Sulla's Abwesenheit durch den Consul Cinna in Italien die Partei des M. wieder die mächtigere geworden, der daher zurückkehrte, mit Cinna in Rom einzog und alle Gegner umbringen ließ, deren er habhaft werden konnte. Nach dem Ende von Cinna's Consulat ernannte dieser sich und M. 86 v. Chr. selbst zu Consuln, der Letztere aber starb an den Folgen der Völlerei am 17. Tage nach dem Antritt dieser Würde und ehe die Rache des herbeieilenden Sulla ihn erreichen konnte.

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Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 61-62.
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