Misheirath

[154] Misheirath nennt man eine solche eheliche Verbindung, welche im Staate nicht alle rechtliche Wirkungen einer standesmäßigen Heirath hervorbringt und namentlich in Ansehung der darin erzeugten Kinder den Verlust einiger oder aller Standes- und Geburtsvorzüge ihres Vaters nach sich zieht. Im gewöhnlichen Leben pflegt man aber den Begriff der Misheirath oft viel weiter auszudehnen und jede Verbindung mit einer Person, welche einer niedern Classe oder einem niedern Range in der bürgerlichen Gesellschaft angehört, so zu bezeichnen. Im alten deutschen Rechte galt nur die Heirath eines Freigeborenen mit einer Leibeignen für eine Misheirath und die Kinder folgten »der ärgern Hand«, d.h. hier der Mutter. Im Mittelalter dehnte der Adel den Begriff der Misheirathen weiter aus, und Kaiser Karl VI. mußte in seiner Wahlcapitulation ausdrücklich versprechen: »Keinen aus unstreitig notorischer Misheirath erzeugten Kindern eines Reichsstandes oder aus solchem Hause entsprossenen Herrn, zu Verkleinerung des Hauses, die väterlichen Titel, Ehren und Würden beizulegen, vielweniger dieselben zum Nachtheil der wahren Erbfolger und ohne deren besondere Einwilligung für ebenbürtig und successionsfähig zu erklären.« Was eine notorische Misheirath sei, ist zwar gesetzlich nicht näher bestimmt worden, doch darf man als unzweifelhafte Misheirathen auch noch heutiges Tags alle Ehen ansehen, welche zwischen Personen des hohen Adels und denen bürgerlicher Abkunft geschlossen werden. Ob die Ehe einer Person des hohen Adels mit einer des niedern eine Misheirath in obigem Sinne genannt werden könne, ist noch eine Streitfrage; wogegen es aber keinem Zweifel unterliegt, daß die Ehen zwischen dem niedern Adel und Personen bürgerlicher Herkunft nicht zu den Misheirathen zu rechnen sind. Diese allgemeinen Grundsätze werden indeß durch Landesgesetze, Statuten oder Familienverträge mannichfach abgeändert.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 154.
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