[234] Nachtigall (die), der berühmteste Singvogel der alten Welt, ist im nördl. Afrika, in ganz Asien bis zu den gemäßigten Gegenden von Sibirien und in Europa bis ins südl. Schweden verbreitet, ist aber allerwegen, wo ein kalter Winter eintritt, nur Zugvogel.
Am liebsten verweilt sie in Laubwäldern, in schattigen Gebüschen und Gärten, namentlich in der Nähe von Gewässern und nährt sich von Insekten aller Art, sowie von Insektenlarven und Gewürm, verschmäht im Herbst aber auch allerhand Beeren nicht. In Deutschland treffen die Nachtigallen von Mitte April an ein, die Männchen immer früher als die Weibchen und kündigen ihre Anwesenheit durch ihren Gesang an, der aber gegen Ende Juni wieder verstummt, und zu Ende August fangen sie schon an still und allmälig davonzuziehen. Sie vertragen sich weder mit Ihresgleichen noch mit andern Vögeln gut und jede Nachtigall hat um ihren gewählten Aufenthalt eine Art Bezirk, wo sie namentlich keine andern duldet. Gern verweilt sie am Boden, nistet auch häufig an einen von Gebüsch beschatteten Baumstrunk, in Hecken und Gesträuch, in Reißighaufen und selbst auf die Erde, wenn es ihr schattig genug dort ist, und legt 4–6 braungrünliche Eier, die binnen 14 Tagen vom Männchen und Weibchen wechselnd ausgebrütet werden. Die Jungen verlassen das kunstlos aus dürrem Laube, Graswurzeln und Halmen angelegte Nest noch ehe sie flügge sind und vertheilen sich ins nahe Gebüsch, wo sie aber noch immer von den Alten gefüttert werden. Der Gesang oder Schlag der Nachtigallen verbindet in der größten Mannichfaltigkeit alles Schöne, Zarte, Überraschende und Laute der Stimmen anderer Singvögel; obgleich aber die allgemeinen Eigenschaften ihres Schlags bei allen Nachtigallen dieselben sind, übertrifft doch eine die andere an Mannichfaltigkeit und Anmuth des Tones und der Strophen desselben. Ebenso lassen sich manche auch nur am Tage, andere vorzüglich des Nachts hören, wovon die einen Tagsänger, die andern Nachtsänger und Nachtvögel genannt werden und seltener und beliebter als jene sind. Sonst unterscheidet man zweierlei Arten: 1) die hier abgebildete gemeine Nachtigall, auch kleine, Wald- und sächs. Nachtigall genannt, die obenher röthlichbraun, der Schwanz etwas röthlicher, untenher grauweißlich aussieht und fünf Zoll lang ist; 2) den im östl. Europa heimischen Sprosser, Aunachtigall oder polnische, ungarische und wiener Nachtigall genannt, welche in Polen und Ungarn an den Ufern der Weichsel und Donau vorzüglich häufig ist, die Lebensart der vorigen theilt, kaum etwas größer ist, aber durch die dunklere Farbe des Oberkörpers und Schwanzes und Muschelflecken an der Kehle, im Gesange durch einen vollern, kräftigern, jedoch weniger schmelzenden Ton und langsameres Zeitmaß sich von jener unterscheidet. Einzeln kommen Sprosser auch in Böhmen, Schlesien und Pommern, bei Dessau, Halle und Wittenberg vor. Als Stubenvögel sind die Nachtigallen sehr beliebt, doch ist in mehren Ländern das Halten [234] derselben mit hohen Abgaben belegt und das Einfangen bei schwerer Strafe verboten. Auf den Grund einer altgriech. Sage wird die Nachtigall besonders von Dichtern Philomele (s.d.) genannt.