[442] Périer (Casimir), Mitglied des ersten von König Ludwig. Philipp ernannten franz. Ministeriums und Präsident und Minister des Innern bei dem am 13. März 1831 gebildeten dritten, war 1777 zu Grenoble geboren, machte beim Geniecorps die ital. Feldzüge von 1799–1800 mit und errichtete nachher mit seinem ältern Bruder Scipion P., gest. 1821 als Mitglied der Handelskammer und einer der Directoren der franz. Bank, ein Bankierhaus zu Paris. Unter der einsichtsvollen und thätigen Leitung der Brüder P. erlangte dieses, sowol durch Unterstützung des Gewerbfleißes als durch eigne industrielle Unternehmungen von großem Umfange, eine hohe Bedeutung für den franz. Handel. Der patriotische Ehrgeiz Casimir P.'s strebte aber nach einer noch einflußreichern Wirksamkeit, und nachdem er 1817, als Abgeordneter des Departements der Seine, Mitglied der franz. Kammer geworden war, gehörte er in der Opposition zu den eifrigsten Vertheidigern der Industrie und zu Denjenigen, welche für sie, den zunehmenden Ansprüchen des Adels und der Geistlichkeit gegenüber, die gebührende Geltung im Staate foderten. Dabei verfolgte er seine Zwecke aber blos [442] auf gesetzlichem Wege, blieb revolutionnairen Umtrieben fremd, unterstützte noch jede angemessene Maßregel Karl X. und wurde von diesem auch am 30. Jul. 1830 zum Minister ernannt, als die Juliusrevolution aber schon entschieden war. Der am nämlichen Tage zusammengetretenen provisorischen Regierung angehörend, bekam P. auch eine Stelle in dem am 11. Aug. von Ludwig Philipp gebildeten Ministerium, jedoch ohne Portefeuille und gab seine Entlassung, als am 2. Nov. der zwar sehr freisinnige, aber nur als Finanzmann ausgezeichnete Bankier Laffitte, welchem umsichtige Selbständigkeit als Staatsmann abgeht, die Präsidentschaft des Ministeriums erhielt. Allein schon am 13. März 1831 ward P. selbst in diese Stellung und zum Minister des Innern ernannt und leitete nun während 14 Monate und bei sehr schwierigen innern und äußern Verhältnissen, die Regierung Frankreichs mit großer, nach außen wie im Innern zum Frieden führender Festigkeit. Hier trat er mit der ganzen Energie seines Charakters den aufgeregten politischen Parteien und den Bewegungen entgegen, zu welchen ehrgeizige Schwärmer die durch eingetretenen Arbeitsmangel der Verzweiflung nahen untern Volksclassen, namentlich in Lyon (s.d.) hinrissen. »Die Charte und der Friede« war P.'s Wahlspruch und es gelang ihm, nicht blos die Kammern durch das Feuer seiner Beredtsamkeit und das Geeignete seiner Schritte, sondern durch die Erfolge der letztern auch die untere Classe des Mittelstandes zu überzeugen, daß die Bekämpfung der mit Bürgerkrieg drohenden Anarchie allem Andern vorgehen und die Regierung zuerst eine feste Stellung im Inlande haben müsse, wenn sie nach außen kräftig solle auftreten können. Dies that Frankreich in Gemeinschaft mit England in Belgien, selbständiger aber noch gegen Dom Miguel in Portugal, wo im Jul. eine franz. Flotte die im Hafen von Lissabon vorhandenen Kriegsschiffe als Bürgschaft für die einigen franz. Bürgern zukommende Genugthuung wegnahm, sowie im Febr. 1832 durch die Besetzung von Ancona (s.d.). Ein Opfer eigner Überzeugung war es, daß P. den Gesetzentwurf über die Aufhebung der Erblichkeit der Pairswürde den Kammern vorlegte. Die freilich nicht zu verhindernde Unterdrückung der poln. Revolution vereinigte indessen nebst den von P. zur Bewältigung der Gährung im Innern genommenen Maßregeln doch viele Stimmen gegen ihn und er hatte den größten Theil seiner Popularität eingebüßt, als er, im patriotischen Eifer der Ansteckung sich aussetzend, am 7. Apr. von der in Paris hausenden Cholera ergriffen, nach langem Kampfe am 16. Mai derselben erlag. Allein wenig Jahre nachher schon ward sein Andenken selbst von seinen Gegnern gepriesen und seine Wirksamkeit zurückgewünscht. – Ein Sohn P.'s bekleidete 1835 die Stelle eines Gesandtschaftssecretairs in Brüssel und befindet sich jetzt bei der franz. Gesandtschaft in Neapel.