Opfer

[343] Opfer bedeutet überhaupt Dasjenige, was man Höhern und Mächtigen als Gabe der Huldigung, um ihren Unwillen zu besänftigen oder ihr Wohlgefallen zu erwerben, darbringt. Solche Gaben wurden Sitte, nachdem Einzelne zur Botmäßigkeit über zahlreiche Untergebene gelangt waren, und noch jetzt darf sich in manchem Lande des Orients kein Unterthan dem Herrscher ohne Geschenke nahen. Aus dem gemeinen Leben gingen die Opfer. auch in die Gebräuche zur Verehrung der Gottheit über, welche die Einbildungskraft des Ungebildeten sich nicht ohne menschliche Bedürfnisse und Neigungen vorzustellen vermag, und in allen Religionen des Alterthumes waren Opfer ein wesentlicher Theil des Gottesdienstes und sind es bei den meisten heidnischen Völkern noch. Der Opferdienst erhielt sich aber auch bei den Völkern, welche vor andern in der Bildung Fortschritte machten, ja er führte hier sogar durch die von gewinnsüchtigen Priestern jederzeit bevorwortete Vorstellung, daß ein Opfer um so angenehmer, je kostbarer es sei, von der Darbringung der Früchte des Feldes und der Thiere bis zu Menschenopfern. Und nicht etwa blos Fremdlinge und Feinde wurden dazu ausersehen, sondern auch eigne Kinder wurden von den Phöniziern, bei den german. Völkern wie von den ältern Bewohnern von Peru und Mexico geopfert. Auch von Abraham wissen wir, daß er Gott den einzigen Sohn und Erben Isaak, von Agamemnon, daß er seine Tochter Iphigenia (s.d.) der Diana opfern wollte; die Abwendung dieser Opfer aber erscheint als die frühzeitige Wirkung der würdigeren Vorstellung, daß die Gottheit nicht mit Menschenblut, sondern durch fromme Gesinnung zu befriedigen sei. Auch in das Judenthum ging der Opferdienst über, doch bestimmte Moses, daß Jehovah nur reine, makellose Thiere und Früchte dargebracht werden sollten. Später erklärten einige Propheten, daß Gehorsam gegen die Gebote Gottes besser sei als alle Opfer, dem Christenthum aber blieb es vorbehalten, den Opferdienst gänzlich aufzuheben, indem es in dem freiwilligen Erlösungstode seines Stifters das höchste Opfer zum ewigen Besten der Menschheit anerkennt. Zugleich verwirft es aber auch die frevelhafte Meinung, daß die Gnade der Gottheit durch Geschenke zu erkaufen sei, und fodert von seinen Anhängern dagegen die moralischen Opfer der Entsagung des Sündlichen, die Verwendung aller Kräfte und Güter zum Besten der Menschheit und ein dem Dienste der Gottheit in treuer Pflichterfüllung bis zur Aufopferung des leiblichen Lebens geweihtes Herz. Der alte Glaube der Heiden und Juden an das Verdienstliche sinnlicher Opfergaben ließ sich jedoch bei den zum Christenthum bekehrten Völkern nicht ganz beseitigen, und bei dem Mangel höherer Bildung war ihnen das Außerliche des Opferdienstes gleichsam Bedürfniß bei der Erbauung. Da nun überdies die Erhaltung der Geistlichkeit und Kirche, sowie die Unterstützung der Armen gewisse Beisteuern nothwendig machte, so bekamen diese das Ansehen von Opfergaben, und dahin gehören auch die Oblationen (s. Oblaten) der ersten Christen. Später meist in Geld verwandelt, hängt damit auch die unter dem Namen Opferpfennig bekannte Gabe zusammen, welche nach einem noch bei den meisten christlichen Religionsparteien geltenden Gebrauche zu gewissen Zeiten für den Geistlichen auf den Altar gelegt wird, ohne als gottesdienstliche Handlung betrachtet zu werden. In der katholischen Kirche wird dagegen der Name des unblutigen Opfers einer der Haupthandlungen des Gottesdienstes, nämlich der Messe (s.d.), beigelegt.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 343.
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