[478] Pfingsten, das dritte von den drei hohen christlichen Festen, wird 50 Tage nach Ostern zur Erinnerung an die Ausgießung des heiligen Geistes über die Apostel und zum Gedächtniß der Stiftung der christlichen Kirche gefeiert, weshalb es auch nicht unpassend das Fest des heiligen Geistes und der christlichen Kirche genannt werden kann. Pfingsten wurde schon in der frühesten Zeit von den Christen als ein wichtiges Fest begangen, das sich nach seinem Ursprunge und seiner Bedeutung zunächst an das Pfingsten der Juden anschließt, welches am 50. Tage nach dem Passah (s.d.) theils als Dankfest für die Ernte, theils als Fest der göttlichen Offenbarung durch das Gesetz oder zum Andenken an die Gesetzgebung auf Sinai gefeiert wurde. Bei den Juden hieß das Pfingstfest auch das Fest der Erstlinge von der Ernte, weil an ihm die Erstlinge der Ernte als Opfer dargebracht wurden, oder in Beziehung auf die Bekanntmachung des Mosaischen Gesetzes »der Tag der Gesetzgebung«. Sie feierten das Fest beim Nationalheiligthum und einen Tag lang, obschon das Opfer sieben Tage nacheinander wiederholt wurde. Die neuern Juden widmen ihm meist zwei Tage, aber zu derselben Zeit, als die Feier sonst zu geschehen pflegte, und schmücken nach der frühern Sitte ihre Häuser und Schulen mit grünen Zweigen und Blumen, in den gottesdienstlichen Versammlungen aber werden Reden gehalten, welche sich auf die Verherrlichung des ihnen ertheilten Gesetzes beziehen. Wie die andern hohen Feste, so hatte auch das Pfingstfest in der alten christlichen Kirche eine Vor- und Nachfeier; jene begann mit dem Himmelfahrtsfeste, diese dauerte bis zum Feste der heiligen Dreieinigkeit. Die dreitägige Feier des Pfingstfestes wurde im 11. Jahrh. eingeführt und ist jetzt in den meisten protestantischen Ländern auf zwei Tage verkürzt worden. In der katholischen Kirche wird am Pfingstfeste der Altar mit Purpur bedeckt, wenn aber die Messe beginnt, wird ein rothes Tuch über denselben gelegt und der fungirende Priester trägt ein Gewand von gleicher Farbe. Bei den Protestanten wird an manchen Orten die Confirmation der jungen Christen am Pfingstfeste vollzogen. Die Maien, mit welchen sonst Häuser und [478] Kirchen an diesem Feste ausgeschmückt wurden und die jetzt aus ökonomischen und medicinischen Gründen fast überall abgeschafft sind, waren eine Nachahmung der schon erwähnten jüdischen Sitte, auch tanzten die Heiden beim Feste der Göttin Maja unter grünen Zweigen. Und wie man früher am Pfingstfeste Feuer anzündete, um an die feurigen Zungen der Apostel zu erinnern, so pflegte man auch eine weiße Taube aus der Decke der Kirche in das Schiff derselben fliegen zu lassen, um damit die Sendung des heiligen Geistes anzudeuten. Auf diese Pfingsttaube werden auch die an vielen Orten zu Pfingsten gehaltenen Vogelschießen mit einem ursprünglich ernst religiösen Sinne bezogen. Der Vogel, nach welchem geschossen wurde, stellte den Adler dar, das Reichspanier von Rom; der Adler verfolgte die Taube, das Sinnbild des h. Geistes; er sollte daher vernichtet werden.