Reiher

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[661] Reiher (die) gehören zu der Familie der Störche und sind an Arten sehr zahlreiche Sumpfvögel, welche sich alle durch einen langen, etwas zusammengedrückten und oben ausgeschnittenen Schnabel, hohe Stelzbeine und wollähnliche Federbüschel an der Brust und am After auszeichnen.

Auch den langen, aus vielen Gelenken zusammengesetzten Hals vermögen sie auf eine nur ihnen eigne, Sförmige Art zusammenzulegen. In Deutschland und weiter nördlich wird vorzüglich der gemeine oder aschgraue Reiher während der milden Jahreszeit mehr in gebirgigen als ebenen Gegenden mit großen Flüssen, Seen und Teichen angetroffen, wo er sich im März aus dem S. einfindet, auf dem Gipfel hoher Eichen, Buchen und andern, jedoch meist Laubholzbäumen, ein großes und flaches Nest von starken Reisern, ausgefüttert mit Schilf, Gras, Wolle und Federn, anlegt und darin 3–4 meergrüne Eier von der Größe unserer Hühnereier ausbrütet. Im Sept. und Oct. ziehen alle wieder [661] den südl. Ländern zu. An Größe steht der gemeine Reiher dem Storch wenig nach, ist mit ausgespannten Flügeln 5 F. breit, übrigens 3 F. lang, sieht auf dem Rücken aschblau, an den Seiten sammetartig schwarz, untenher weiß. Die Brust ist zum Theil schwarz gefleckt und mit verlängerten, spitz ausgehenden Federn bekleidet; Stirn und Vorderkopf sind weiß, der Hinterkopf schwarz und von ihm aus legen sich mehre schwärzliche, oft 6 Zoll lange Straußfedern über den Nacken herab. Vom Mittelrücken aus verbreiten sich sehr schmale, silberweiße Federn von mehren Zoll Länge über die Flügel; der Schnabel sieht goldgelb, die Füße sind bis zum Knie dunkelbraun, darüber ziegelroth. Lieblingsnahrung der Reiher, die übrigens ein sehr hohes Alter erreichen, sind Fische, welche sie bei Tage und in mondhellen Nächten im seichten Wasser mit zusammengelegtem Halse stehend belauern, und sobald sie ihnen nahe genug kommen, blitzschnell mit dem Schnabel erfassen und meist ganz verschlingen. Im Nothfall nehmen sie mit Fröschen, Feld- und Wassermäusen, Schnecken und Wasserinsekten vorlieb, können aber auch lange hungern; ihre Stimme ist widerwärtig kreischend. Der großen Schädlichkeit aller Reiher für die Fischerei ungeachtet, wurden sie sonst allgemein der Reiherbaize, d.h. der Jagd mit abgerichteten Falken (s.d.) wegen gehegt, welche eine der beliebtesten, aber auch mit unverhältnißmäßigem Aufwande verknüpfte Belustigung der Großen war. Den auf diese Art gefangenen Reihern wurden manchmal blecherne Ringe um die Füße befestigt mit dem Namen des Besitzers des Falken und der Jahrzahl und ihnen dann die Freiheit geschenkt, und es kam oft vor, daß Reiher gebaizt wurden, welche mehre solche Ringe an sich hatten. – Der Purpurreiher ist kleiner als der gemeine Reiher, in den gemäßigten Ländern von Asien heimisch und wird in Europa nur vereinzelt angetroffen. Am Hinterkopf hat er einen aus schwarzgrünen schmalen Federn bestehenden Federbusch, am untern Halse lange weiße, an den Schultern lange gelbrothe Federn, sieht obenher und an den Flügeln braungrau, an Brust und Seiten purpurfarbig, untenher rothbraun. – Der hier abgebildete große Silberreiher ist im wärmern Asien, in Afrika und auch im südöstl. Europa nicht selten, wird ebenso groß wie der gemeine Reiher, hat ein durchaus silberweißes Gefieder und zeichnet sich durch die vorzüglich langen Schulterfedern aus, welche sichelförmig über die Flügel und bis über den Schwanz hinabhängen. Aus ihnen und den noch prächtigern des kleinen Silberreihe werden die kostbarsten Reiherbüsche gemacht, welche sonst als Schmuck der Kopfbedeckung auch von den Vornehmen des Abendlandes theurer als Gold bezahlt wurden, jetzt aber nicht mehr Mode sind.

Man unterscheidet im Allgemeinen dünnhälsige Reiher, zu denen alle bisher erwähnte gehören, und dickhälsige, unter welche die in den gemäßigten Himmelsstrichen fast aller Erdtheile heimische, hier abgebildete große Rohrdommel gerechnet wird, die auch in manchen Gegenden Deutschlands Moosreiher heißt. Sie wird ungefähr 21/2 F. lang, ist mit ausgespannten Flügeln 4 F. breit, sieht oben rostgelb mit schwarzbraunen Flecken und Querstreifen, am Bauche hellfarbiger mit schwarzen Streifen, an der Kehle weißlich aus. Dieser träge, ungesellige Vogel nistet und verweilt auch am meisten im dichten Schilfe der Sümpfe und Gewässer, verzehrt weit weniger gern Fische als andere Reiher und geht vorzüglich in der Dämmerung und des Nachts seiner Nahrung nach. Um diese Zeit läßt er auch im Frühjahr und Herbst, außerdem nur, wenn eine Wetterveränderung nahe ist, sein schauerliches Geschrei hören, das wie »huhei, prump!« klingt und dem fernen Gebrüll eines Stiers gleicht. Vor allen andern Reihern hat diese Art den Vorzug, daß sie ein zartes und höchst schmackhaftes Wildpret liefert. Wird die Rohrdommel nicht durch einen Hund oder sonst zum Auffliegen aus ihrem Versteck im Schilf genöthigt, so streckt [662] sie den Schnabel, Hals und ganzen Körper gerade in die Höhe, bleibt unbeweglich stehen und wird nicht selten von dem vorübergehenden Jäger für einen zugespitzten Pfahl oder einen alten Weidenstrunk angesehen.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 661-663.
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