[670] Religionsfriede. Unter diesem Namen sind in der deutschen Geschichte vorzüglich zwei feierliche Verträge der protestantischen Reichsstände mit Kaiser Karl X. in Religionsangelegenheiten merkwürdig, von denen der erste 1532 zu Nürnberg, der andere 1555 zu Augsburg zu Stande gebracht wurde. So sehr es auch Karl V. Absicht war, von [670] den religiösen Spaltungen in Deutschland für seine Entwürfe zur möglichst unumschränkten Erbherrschaft über dasselbe Nutzen zu ziehen, so gestalteten sich doch die Verhältnisse in und außer Deutschland zu ungünstig, als daß er dazu hätte gelangen können. Die Protestanten schlossen sich seit 1526 immer fester aneinander, und in Deutschland selbst waren die katholischen Stände noch gar nicht geneigt zum Bürgerkriege; seine eigne Macht aber ward bald von Kriegen mit Frankreich, bald mit den Türken in Anspruch genommen, daher er mit den 1531 zum schmalkaldischen Bunde zusammengetretenen Evangelischen Unterhandlungen anknüpfen ließ, welche den von letztern am 23. Jul. 1532 zu Nürnberg unterzeichneten und vom Kaiser am 2. Aug. zu Augsburg bestätigten ersten Religionsfrieden herbeiführten. Die Protestanten gingen denselben ein, um sich versöhnlich zu zeigen, und weil sie dadurch auf einige Zeit wenigstens vor einem Angriffe wegen Religionssachen gesichert wurden. Übrigens blieb Alles bis zu einer anzustellenden Kirchenversammlung oder einem neuen Vergleiche, so ziemlich beim Alten, denn wegen der gefoderten freien Ausübung ihrer Religion in ganz Deutschland, sowie über die Kirchengüter, die bischöfliche Gerichtsbarkeit, die Aussetzung der bei den Reichsgerichten anhängigen Rechtshändel wegen Glaubenssachen und über Zulassung der augsburgischen Confessionsverwandten zum Kammergericht, waren nur sehr schwankende Erklärungen erlangt worden. Dem Kaiser hatte zunächst daran gelegen, sich gegen Feindseligkeiten der Protestanten zu sichern, und da ihm das auch später die Umstände wiederholt wünschenswerth machten, erneuerte er den nürnberger Religionsfrieden von 1534–45 noch sechsmal und bewilligte sogar, daß neue Mitglieder in den schmalkaldischen Bund aufgenommen werden konnten, wodurch dieser, sowie durch Verbreitung der Reformation außerdem, sich sehr verstärkte. Doch traten auch 1538 mehre angesehene katholische Fürsten zu einer heiligen Ligue zusammen, und nachdem Karl V. mit Frankreich 1544 Friede geschlossen, konnten die Protestanten, welche 1545 auf dem Reichstage zu Worms beharrlich die Anerkennung der nach Trident berufenen Kirchenversammlung verweigerten, leicht wahrnehmen, daß es auf ihre Unterwerfung abgesehen sei. Diese gelang auch in dem rasch beendigten schmalkaldischen Kriege, 1546–47, gleichwol beabsichtigte der Kaiser, sich derselben noch zur Erlangung gewisser Zwecke beim Papste mit zu bedienen, und begann selbst wegen der Bedingungen zu verhandeln, unter denen sie das 1546 zu Trident eröffnete, 1547 aber nach Bologna verlegte Concilium anerkennen sollten. Papst Paul III. gab aber die verlangte Rückkehr der Kirchenversammlung nach Trident nicht zu, jedoch sein Nachfolger Julius III. der 1549 auf den päpstlichen Stuhl gelangte, schien einiger mit Karl V., was die Evangelischen sehr besorgt machte. Da trat unerwartet der sächs. Kurfürst Moritz (s.d.) gegen den Kaiser auf, dessen herrschsüchtige Entwürfe er durchschaute, und erzwang den am 31. Jul. 1552 geschlossenen Vertrag von Passau (s.d.), in welchem die unbeschränkte Religionsfreiheit der Evangelischen anerkannt wurde. Weiteres sollte auf einem innerhalb sechs Monate anzustellenden Reichstage berathen werden, der aber erst 1555 zu Augsburg zusammenkam, und wo am 26. Sept. der augsburger Religionsfriede geschlossen ward. Dieser verbürgte allen Reichsständen Ruhe, Sicherheit und Frieden wegen ihrer Religion und Kirchenbräuche, sowie für Glauben, Hab und Gut und Land und Leute, und verordnete die Ausgleichung von Religionsstreitigkeiten durch blos christliche und freundliche Mittel. Der Glaube und Gottesdienst der Protestanten ward von der geistlichen Gerichtsbarkeit frei, die Auswanderung wegen der Religion gestattet, und wenn auch kein näherer Religionsvergleich zu Stande käme, sollte dieser Friede doch unverbrüchlich bestehen. Adel, Städte, Communen und Unterthanen vom augsburgischen Glaubensbekenntnisse in den Ländern katholischer Fürsten und Stände sollten ungekränkt bei ihrem Glauben gelassen werden, von allen Geistlichen aber, welche Protestanten würden, das zugleich als Verzichtleistung auf ihre Ämter und Einkünfte gelten, unbeschadet jedoch ihrer Ehre und Würde. Die Reformirten blieben von diesem Frieden noch ausgeschlossen, und erhielten erst im westfälischen gleiche Rechte mit den Protestanten. Der augsburgische Religionsfriede gehörte zu den Reichsgesetzen, welche von der in der rheinischen Bundesacte allgemein ausgesprochenen Nichtigkeitserklärung derselben für die Rheinbundsstaaten und ihre Unterthanen ausgenommen war.