[673] Remonstranten oder Arminianer heißen die Anhänger einer zu Anfang des 17. Jahrh. aus der reformirten Kirche in Holland hervorgegangenen Religionspartei, deren Stifter Jak. Arminius oder eigentlich Hermans, der Sohn eines Messerschmieds und 1560 zu Oudewater in der Provinz Holland geboren war. Nachdem er mehre niederländ. und deutsche Universitäten besucht, in Genf und Basel längere Zeit verweilt und sich überall die Achtung der ausgezeichnetsten Männer erworben, auch Italien bereist und dabei die Verderbtheit der päpstlichen Regierung aus eigner Anschauung hatte kennen lernen, kehrte er in sein Vaterland zurück, wo er 1588 Prediger in Amsterdam und 1603 Professor der Theologie in Leyden wurde. Hier gerieth er sogleich über die Prädestination (s.d.) und einige damit zusammenhängende Glaubenslehren in lebhafte Streitigkeiten mit seinem Amtsgenossen Franz Gomarus, einem eifrigen Calvinisten, gegen welchen Arminius eine allgemeine, aber vom Glauben an Christus bedingte göttliche Vorherbestimmung der Menschen zur Seligkeit behauptete. Die Anhänger der beiden Wortführer nannten sich bald Gomaristen und Arminianer und der 1609 erfolgte Tod des Arminius beendigte ihren Zwist keineswegs. Vielmehr übergaben 1610 einige Geistliche von Seiten der Arminianer den Generalstaaten eine schriftliche Auseinandersetzung ihrer angefochtenen Meinungen, um dadurch die gegen sie erhobenen Beschuldigungen zu entkräften. Diese Schrift war von dem gelehrten und scharfsinnigen Ultenbogaert, Hofprediger des Prinzen Moritz von Nassau, abgefaßt, welcher mit dem Professor Episcopius (Bishop) zu Leyden jetzt an der Spitze der Arminianer stand, und Remonstrantia genannt worden, wovon seitdem die Letztern den Namen Remonstranten, und da es die Gomaristen an Entgegnungen nicht fehlen ließen, diese den der Gegen- oder Contraremonstranten bekamen. Vergebens ermahnten 1614 die Staaten (Stände) von Holland beide Parteien, sich in Friede und christlicher Liebe mit einander zu vertragen, der Zwiespalt nahm vielmehr bald auch eine politische Färbung an und die Republikaner hielten sich mehr zu den aufgeklärten Arminianern, die Gomaristen aber hatten die oranische Partei und den Prinzen Moritz für sich und waren überhaupt die Zahlreichsten. Sie behielten daher auch auf der zur Ausgleichung [673] des Streites in Dordrecht vom 13. Nov. 1618 bis 9. Mai 1619 gehaltenen Synode die Oberhand, der 64 niederländ. Geistliche und 28 fremde (deutsche, engl. und franz.) Theologen und Bevollmächtigte der Generalstaaten beiwohnten. Die Meinungen der Remonstranten wurden von ihr verworfen und die Bekenner derselben ausgestoßen; ferner verloren 200 Prediger ihre Stellen und nur wer versprach, künftig kein kirchliches Amt mehr zu verwalten, brauchte das Land nicht zu verlassen. Viele wanderten damals nach Holstein aus, wo von ihnen mit Erlaubniß des Herzogs das Städtchen Friedrichstadt gebaut und die noch bestehende einzige Remonstrantengemeinde außer Holland gestiftet wurde. Hier wurde man jedoch ebenfalls duldsamer und erlaubte den Remonstranten seit 1630, sich überall aufzuhalten und Kirchen sowie eine Bildungsanstalt für ihre Lehrer anzulegen, die zu Amsterdam errichtet ward. Simon Episcopius trat daselbst 1634 als erster Professor der Theologie auf und hatte mehre gleich ausgezeichnete Gelehrte zu Nachfolgern, woran es dem Remonstranten überhaupt nicht gemangelt hat. Sie zählen in Holland jetzt 24 meist kleine Gemeinden, halten jährlich im Jun. zu Amsterdam oder Rotterdam eine Versammlung, wo die Prediger und Abgeordneten ihre kirchlichen Angelegenheiten berathen, und weichen in den kirchlichen Gebräuchen nicht von denen der Reformirten in Holland ab. Auch der allgemein angenommenen, sogenannten Staatenübersetzung der Bibel bedienen sie sich, und diese ist zugleich ihre einzige, allein der Auslegung eines Jeden freigegebene Glaubensregel. Denn keine Bekenntnißschriften oder symbolischen Bücher, auch die Ansichten des Arminius nicht über die zu seiner Zeit bestrittenen Glaubenslehren, gehören zum Wesen der echten Remonstranten, sondern wer sich gegen Abgötterei, Gewissenszwang und sträflichen Wandel erklärt und die h. Schrift anerkennt, wird ohne weitere Bedingungen aufgenommen. Mehre von ihnen gemachte Versuche zur Wiedervereinigung mit der reformirten Kirche blieben bisher ohne Erfolg. Von den Remonstranten sonderte sich kurz nach der Synode zu Dordrecht eine Religionsgesellschaft ab, welche von Rheinsburg bei Leyden, wo sie zuerst im Geheimen bestand, den Namen Rheinsburger, außerdem den der Collegianten führte. Drei Brüder, Jan, Adrian und Gysbert Jakobssohn van der Kodde, welche in den Ortschaften Rheinsburg, Warmond und Östgeeft Landwirthschaft und Gerberei betrieben, waren die Stifter derselben. Sie hatten von Anfang so aufgeklärte Begriffe von Duldung, daß sie nur die Anerkennung Christi als Sohns des lebendigen Gottes und der Bibel als einziger Richtschnur des Glaubens von ihren Mitgliedern verlangten, denen jedoch ihre Auslegung überlassen blieb. Geistliche waren nicht angestellt und Jeder konnte in ihren Versammlungen zur Erbauung der Andern das Wort führen; auch wollten sie keine sogenannte Kirche bilden, weshalb sie ihre Religionsgesellschaft ein Collegium und die Gemeinden Collegien hießen. Ihr musterhafter Wandel erwarb ihnen Duldung und Achtung; sie errichteten in Rheinsburg ein großes Gebäude, wo sie das Abendmahl als brüderliches Mahl begingen, und stifteten in Amsterdam ein großes Waisenhaus, welches nach dem erfolgten Aufhören dieser Religionsgesellschaft unter die Leitung der dortigen taufgesinnten Gemeinde gekommen ist.