Riesen

[710] Riesen nennt man vorzugsweise Menschen von sehr hohem, die gewöhnliche Menschengröße ansehnlich überragendem Wuchse, welche in gemäßigten Erdgegenden zwischen fünf und sechs F. beträgt. Obgleich es nun erwiesen ist, daß Menschen eine Größe von 7–8 F. erreicht haben, so waren das doch immer nur Einzelne, und was im Alterthum und später von Riesenvölkern und Riesengeschlechtern erzählt wurde, gehört der Fabel an. So reden die h. Überlieferungen der Juden von Riesen vor und nach der Sündflut, deren letzter der von Moses besiegte König Og (s.d.) von Basan gewesen sein soll, und dem von David überwundenen Riesen Goliath schreiben die jüd. Ausleger eine Länge von 11 F. zu. Die griech. Mythen erzählen ebenfalls viel von Riesen (s. Giganten, Titanen, Cyklopen), die ind. Mythologie läßt Brama Riesen hervorbringen und in der nordischen spielen sie nicht minder eine wichtige Rolle. (S. Götterund Götterlehre.) Nach der Meinung der Römer waren besonders die nördl. Länder die Heimat von Riesen und in der Schlacht, welche Marius (s.d.) bei Aquä Sextiä den Teutonen lieferte, soll deren König Teutobocus als ein ungeheurer Riese aufgetreten sein. In den Ritterromanen des Mittelalters nehmen die Riesen neben Feen, Zwergen und andern fabelhaften Wesen auch ihre Stelle ein. Die Entdeckung von Amerika brachte von Neuem Gerüchte von dort heimischen Riesenvölkern in Umlauf, welche sich am Ende auf die Patagonier (s.d.) beschränkt haben, von denen viele eine seltene Größe erreichen. Ebenso ist von Alters her viel Unerhörtes von aufgefundenen Riesengerippen berichtet worden. Nach Strabo ward z.B. das 60 Ellen lange Gerippe des vom Hercules erdrückten fabelhaften Antäus in Mauretanien gefunden und 1613 wollte man in Hochburgund die Gebeine des obengenannten Königs Teutobocus entdeckt haben. Doch gilt vermuthlich von diesen wie von ähnlichen spätern Funden angeblicher Riesengerippe, daß sie vorweltlichen Thieren angehörten und aus Unkunde für menschliche gehalten worden sind. Auch die sogenannten Hühnengräber (s.d.) hat man für Riesengräber ausgegeben.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 710.
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