Schwangerschaft

[124] Schwangerschaft bezeichnet den Zustand des menschlichen Weibes, während dessen dasselbe einen oder mehre werdende Menschen (Früchte) in ihrem Schoose trägt. Er beginnt mit dem Augenblicke der Empfängniß, dauert der Regel gemäß 280 Tage, also 40 Wochen oder 9 Kalender- (Sonnen-) oder 10 Mondesmonate und endigt mit dem Eintritte der Geburt. Daß Schwangerschaft eingetreten, vermuthet man, wenn nach vertraulichem Umgange mit einem Manne ohne sonstige Veranlassung der Monatsfluß ausbleibt, die Beckengegend dicker wird, der Unterleib allmälig und gleichmäßig an Umfang zunimmt, in den Brüsten, welche ebenfalls anschwellen, sich prickelnde oder stechende Empfindungen einstellen, der Hof um die Warzen derselben sich dunkler färbt, das Gesicht ein verändertes, oft wechselndes Colorit, überhaupt aber einen veränderten Ausdruck zeigt, etwa vorhandene Muttermäler mehr als gewöhnlich hervortreten, Leberflecken zum Vorschein kommen, außerdem besonders des Morgens bei noch nüchternem Magen Übelkeiten und Erbrechen eintreten, das namentlich in den ersten Monaten weder durch Arznei noch durch den Genuß von Speisen zu stillen ist, allerhand Gelüste oder widernatürliche Abweichungen des Appetits, Reißen in den Zähnen, Schwindel, Ohnmachten, vermehrter Drang zum Urinlassen, Brennen oder sonstige Schmerzen bei dem Abgange desselben sich einstellen, Blutaderknoten, sogenannte Krampf-oder Weheadern an Schenkeln und Füßen entstehen, eine auffallende Veränderung in der Gemüthsstimmung sich bemerkbar macht u.s.w. So wahrscheinlich nun alle eben angeführte Erscheinungen zusammengenommen, welche übrigens der Mehrzahl nach nicht die ganze Schwangerschaft hindurch dauern, sondern meist mit Eintritt des fünften oder sechsten Monats derselben wieder verschwinden, das Vorhandensein von Schwangerschaft machen mögen, so sind sie doch alle nur mehr oder weniger unsichere Kennzeichen, da diese Zufälle ebenso gut durch andere Zustände bedingt sein können als durch die Schwangerschaft. Das einzige völlig zuverlässige Kennzeichen von Schwangerschaft sind die sowol von den Schwangern selbst als von einem sachverständigen Arzte oder Geburtshelfer gefühlten Bewegungen des Kindes und bei der äußern oder innern Untersuchung die deutliche Unterscheidung einzelner Körpertheile desselben. Es kann unter Umständen von Wichtigkeit sein, die Dauer der Schwangerschaft, ihren Anfang und Endpunkt zu bestimmen. Man erkennt dieses aus der Zeit, in welcher das erste Mal der Monatsfluß ausblieb, welches gewöhnlich etwa 14 Tage nach der Empfängniß zu geschehen pflegt und nach der Zeit, in welcher die ersten Kindesbewegungen auftreten, welches gewöhnlich in der 18. bis 22. Woche der Schwangerschaft geschieht. Man hat sogenannte Schwangerschaftskalender, in denen die bemerkten Zeitpunkte mit denen der nach ihnen zu erwartenden Zeit der Entbindung zusammengestellt sind. Als Zeichen von Zwillingsschwangerschaft wollen Einige beobachtet haben, daß die mit der Schwangerschaft gewöhnlich verbundenen Zufälle die Schwangern früher und in heftigerm Grade befallen, der Unterleib schneller einen größern Umfang erreicht und in der Mitte durch eine vertiefte Furche gleichsam in zwei Hälften getheilt erscheint, auch die Kindesbewegungen vielfältiger und an mehren Orten zugleich gefühlt werden sollen. Indeß können alle diese Zeichen auch ohne Zwillingsschwangerschaft vorhanden sein, wie denn umgekehrt auch Zwillingsschwangerschaft ohne sie statthaben kann. Die Schwangerschaft erleidet ebenso wie jede andere Verrichtung des menschlichen Körpers Abweichungen von der Regel. So wird sie unregelmäßig, wenn das bei der Befruchtung von dem weiblichen Eierstocke sich naturgemäß trennende Ei nicht in die Gebärmutterhöhle gelangt, sondern entweder in die Bauchhöhle fällt oder an einem Eierstocke in einer Muttertrompete sitzen bleibt und daselbst längere oder kürzere Zeit unterhalten wird, was zu den sogenannten Schwangerschaften außerhalb der Gebärmutter, wie z.B. einer Bauchhöhlen-, Eierstocks- und Muttertrompetenschwangerschaft Veranlassung gibt, die unsagliche Leiden für die Schwangern mit sich bringen und meist einen tödtlichen Ausgang nehmen; ferner wenn das in die Gebärmutterhöhle gelangte Ei entartet und sich in ein Mondkalb oder eine Mole verwandelt; wenn die Schwangerschaft nicht bis zu dem naturgemäßen Ende dauert, sondern durch eine sogenannte Fehlgeburt (Abortus) oder zu frühzeitige Niederkunft vor der gesetzmäßigen Zeit beendet wird, endlich wenn die Schwangerschaft wegen der zur angegebenen Zeit ausbleibenden Geburtsthätigkeit sich über die Gebühr verlängert, die Geburt also über die 40. Schwangerschaftswoche hinausfällt.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 124.
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