[393] Tessin oder die welsche Schweiz ist der südlichste Canton der schweizer Eidgenossenschaft, welcher von Uri, Graubündten, Sardinien und von der Lombardei begrenzt wird, die Districte Mendrisio, Lugano, Locarno, Valle Maggia (Maienthal), Bellinzona, Riviera, Blenio oder Blegno und Levantina umfaßt, 483/4 ! M. mit 105,000 Einw. Dieselben bekennen sich zur katholischen Kirche und reden mit Ausnahme des Dorfes Bosco mit 250 deutschen Einw. die lombard. Mundart. Den Namen hat dieser Canton 1803 von dem Flusse Tessin (ital. Ticino) in Oberitalien erhalten, der am Gotthard entspringt und in den Po sich ergießt. Im Mittelalter gehörten jene acht Landschaften zur Lombardei, bis sie die Schweizer 1466–1512 den Herzogen von Mailand allmälig abkämpften. Nun wurden die acht Landschaften unter dem Namen »der Ennetburgischen Vogteien« durch Landvögte verwaltet, bis 1798 Basel und nachher auch Luzern ihr Recht an dieselben aufgaben und es denselben nun gelang, sich frei zu machen. Sie bildeten darauf die zwei Cantone Bellenz und Lugano, welche aber 1803 unter dem Namen eines »Canton Tessin« vereinigt und als ein Canton der schweiz. Eidgenossenschaft einverleibt wurden. Die 1830 eingeführte Verfassung ist demokratisch. Die Gesammtheit der Cantonsbürger wird durch einen großen Rath von 114 von den 38 Kreisen gewählten Mitgliedern repräsentirt, welcher aus seiner Mitte wieder einen Staatsrath von 9 Mitgliedern wählt; jener hat die souveraine Gewalt, dieser die vollziehende. Die Würde des Präsidenten im Staatsrathe wechselt allmonatlich unter den Mitgliedern desselben. Der große Rath wählt ferner die neun Beisitzer des Appellationsgerichts und die sieben Beisitzer des Revisionsgerichts. Alle öffentlichen Stellen werden auf vier Jahre ausgetheilt. Der Sitz der Behörden wechselt zwischen den Städten Lugano, Locarno und Bellinzona. Alle Bürger und Anfassen zwischen 18.–23 Jahren sind milizpflichtig. Die Staatseinkünfte sollen 241,874 Fl. betragen. Der Canton stellt 1804 Mann zum Bundesheere und bezahlt 18,040 Francs Geldbeitrag. – T. ist ein herrliches, am Südabhange der Alpen gelegenes Land mit großen, nach Süden geöffneten Thälern, in denen man die reizendsten Naturscenen erblickt und von der milden Last Italiens angehaucht wird. Doch begegnet man auch dem rauhen Alpenklima und neben den üppigsten Fluren liegen die unwirthbarsten Gegenden. Besonders schön sind die Gegenden am Lago maggiore, dessen Nordspitze, und am Lago di Lugano, der beinahe ganz zu Tessin gehört. Der schon erwähnte Tessin durchströmt den Lago maggiore. – Hauptstadt ist Bellinzona oder Bellenz. Dasselbe zählt 1500 Einw., hat drei Schlösser, drei Klöster, ein Gymnasium und sehr einträglichen Zwischenhandel, indem alle über den Gotthard und über den Bernhard gehenden Waaren hier umgeladen werden. Lugano, Lavis oder Lauwerz am luganer See mit 3600 Einw., sechs Klöstern und einem Seminar, hat ansehnliche Fabriken und Handel, besonders mit Fischen. Bosco, welches 3000 F. über dem Meere in einem rauhen Thale liegt, wird von deutsch sprechenden Bewohnern bevölkert. Locarno liegt an der Mündung des Tessin in den Langensee (Lago maggiore), hat 1400 Einw. und 4 Klöster. Magadino ist als Endpunkt der Gotthardstraße und Mendrisio als südlichste Stadt der Schweiz bemerkenswerth.