[404] Themistŏkles, einer der ausgezeichnetsten atheniens Feldherren, wurde 514 v. Chr. zu Athen geboren. Er entwickelte schon in der Jugend ausgezeichnete Talente, Gewandtheit und Lebhaftigkeit des Geistes. Den strengern Wissenschaften war er abhold, aber mit dem größten Eifer widmete er sich den Angelegenheiten des Staats. Er buhlte um die Volksgunst und schloß sich der demokratischen Partei an, während sein Nebenbuhler, der durch seine Gerechtigkeit und strenge Sittlichkeit berühmte Aristides (s.d.), der aristokratischen Partei angehörte. Die Verbannung des Aristides machte seinen Einfluß beinahe zur Herrschaft. Nach der Schlacht bei Marathon hatte er den Athenern den weisen Rath gegeben, ihre Seemacht zu vergrößern, indem sie dazu die aus den Silberbergwerken fließenden Gelder verwendeten, welche bis dahin unter die Bürger vertheilt worden waren. In einem Kriege mit Ägina wurde ihnen ihre Seemacht zuerst vortheilhaft, auf welche sich später das ganze Ansehen Athens unter den griech. Staaten gründete. Die größten Verdienste erwarb sich T. in dem Kampfe gegen den Perserkönig Xerxes, welcher mit einem ungeheuern Aufwande gegen das kleine Griechenland sich gerüstet hatte. Der übermüthige Xerxes sandte Boten, welche die Athener zur Unterwerfung auffoderten; T. veranlaßte seine Landsleute, dem Perserkönige auf das kräftigste zu antworten. Nun war T. bemüht, alle Griechen zum gemeinschaftlichen Widerstande gegen den gemeinsamen Feind zu bewegen, indem sie alle Zwistigkeiten, die sie untereinander trennten, fallen lassen sollten. Es gelang ihm, bei den Athenern durch List und Ansehen seine Ernennung zum Oberfeldherrn durchzusetzen. Auch gab er den weisen Rath, die Pässe von Thermopylä zu schützen, da man aber diesem Rathe nicht Folge leistete, so drangen die Perser bald nach Böotien vor. Hierauf setzte er mit List, indem er das Orakel zu Delphi für sich zu stimmen wußte, durch, daß die Athener ihre unbefestigte Stadt verließen, Weiber und Kinder in Sicherheit brachten, und sämmtlich, so weit sie im Stande waren, die Waffen zu führen, auf die Schiffe gingen. Die verbündete Flotte bestand zum größern Theil aus atheniens Schiffen, doch das Ansehen der Spartaner war so groß, daß man ihrem Feldherrn Eurybiades den Oberbefehl übergab. Mit diesem gerieth T. über die zu ergreifenden Maßregeln in einen Zwist, welcher so weit ging, daß ihn Eurybiades schlug. Doch T. rief: »Schlage mich, aber höre mich!« Eurybiades hörte seine Gründe an und mußte ihnen Gerechtigkeit widerfahren lassen. Die entscheidende Schlacht bei Salamis 480 v. Chr., durch welche die Freiheit Griechenlands gerettet wurde, war das Werk des T., welcher sich auch während der Schlacht und nach derselben durch Klugheit und Tapferkeit auszeichnete. Ganz Griechenland erkannte seine Verdienste an. T. veranlaßte nach Vertreibung der Feinde seine Mitbürger, Athen mit Mauern zu befestigen und den Hafen Pyräeus anzulegen und ihn mit der Stadt durch Befestigungen in Verbindung zu setzen. Die auf den Vorrang unter den griech. Staaten eifersüchtigen Spartaner, deren Ansehen sank, je höher das Athens stieg, suchten dieses Unternehmen auf alle Weise zu hindern, indem sie ihren ganzen Einfluß aufboten, es zu hintertreiben. Aber T. ging selbst als Gesandter nach Sparta und es gelang ihm, die Spartaner so lange mit Unterhandlungen hinzuhalten, bis indeß die Umwallung der Stadt zu Stande gebracht war. Von nun an verfolgte ihn der Haß der Spartaner, und er unterlag demselben. Zur Vergrößerung ihres Ansehens trugen dieselben nämlich darauf an, daß den griech. Staaten, welche keinen Theil an dem Kriege gegen die Perser genommen hatten, und unter denen sich die mächtigen Staaten Argos und Theben befanden, das Recht Abgeordnete zum Rathe der Amphiktyonen zu schicken, genommen werden sollte. Diesem Vorschlage Spartas widersetzte sich T. und die Spartaner traten nun mit seinen Gegnern in Athen in Verbindung, regten dieselben noch mehr gegen ihn auf und schufen ihm neue, sodaß T. 475 durch das Gericht des Ostracismus aus seiner Vaterstadt verbannt wurde. Der spartan. Feldherr Pausanias (s.d.) foderte nachher den Verbannten auf, an seinem Unternehmen gegen die Freiheit Griechenlands Theil zu nehmen. Obwol nun T. die Theilnahme an diesem Plane zurückwies, so wurde ihm doch nach der Entdeckung desselben von den Spartanern zum Verbrechen gemacht, daß er die griech. Staaten nicht von den Absichten des Pausanias in Kenntniß gesetzt habe. Aus den Briefen des T., die man bei Pausanias gefunden, erfuhr man nämlich, daß T. Mitwisser des verbrecherischen Planes gewesen sei. Die Athener foderten ihn auf Veranlassung Spartas zur Verantwortung und T., um derselben zu entgehen, ging erst nach der Insel Korcyra, dann zu Admet, König der Kolosser, der ihn, obgleich früher von ihm beleidigt, edelmüthig aufnahm. Die Drohungen der Spartaner, welche die Auslieferung des T. foderten, schüchterten jedoch den König ein; er glaubte den T. nicht schützen zu können und war ihm daher zu seiner Entfernung behülflich. Der pers. König Artaxerxes Longimanus hatte auf den Kopf des T. einen Preis von 200 Talenten gesetzt, und T. ging zu ihm, gab sich selbst an und erhielt den Preis mit der Zusicherung noch größerer Belohnungen, wenn er nützliche Auskunft über Griechenland gäbe. T. wußte sich am Hofe des pers. Königs in Achtung und Ansehen zu setzen. Als aber der König neuen Kampf gegen Griechenland beschloß und von dem T. thätige Hülfe zu diesem Unternehmen foderte, gab sich dieser, um nicht zum Verräther am Vaterlande zu werden, 449 zu Magnesia selbst den Tod durch Gift. Wir besitzen von T. noch 21 Briefe, deren Echtheit jedoch nicht erwiesen ist.