Titus Vespasianus

[441] Titus Vespasianus, einer der besten röm. Kaiser, welcher von den Römern amor et deliciae humani generis (d.h. Liebe und Freude des Menschengeschlechts) genannt wurde, war ein Sohn des Kaisers Vespasianus (s.d.), wurde 40 n. Chr. geboren, zeigte schon in seiner frühern Jugend ausgezeichnete geistige Anlagen, und nahm als Tribun in dem Kriege in Germanien und Britannien ruhmvollen Antheil. Auch von seiner Rechtskenntniß legte er als Sachwalter glänzende Proben ab. Das Amt eines Quästors verwaltete er gleichfalls rühmlich, und im Kriege gegen Judäa begleitete er seinen Vater als Befehlshaber über eine Legion. Alles dies geschah noch unter der Herrschaft des Nero. Vespasianus verließ Syrien, um den röm. Thron einzunehmen, um welchen Galba, Vitellius und Otho zu ihrem eignen Verderben gestritten hatten. T. blieb zurück und setzte den Krieg gegen die Juden fort, welcher mit der Zerstörung Jerusalems endete. Im. I. 70 n. Chr. wurde T. von seinem Vater zum Mitgenossen im Consulat ernannt. Nach einem kurzen Aufenthalt in Alexandrien kehrte T. nach Rom zurück, hielt einen glänzenden Triumphzug und wurde von seinem Vater zum Mitregenten angenommen. Seine Liebschaft mit der Berenice, der Gemahlin des Königs Herodes von Chalcis und Tochter Agrippa I., Königs der Juden, welche ihm nach Rom gefolgt war, und andere Ausschweifungen brachten T. eine Zeit lang um die Gunst der Bessern im Volke. Auch sagte man ihm Bestechlichkeit und Ungerechtigkeit nach. Nach seiner im I. 79 n. Chr. erfolgten Thronbesteigung zeigte er sich jedoch als Nachfolger seines Vaters Vespasianus ebenso liebenswürdig als gerecht und mild, obgleich er in seinem Streben nach Volksgunst oft zu weit ging. Er trennte sich auch von der Berenice, und er sagte selbst, daß er jeden Tag für verloren hielt, an welchem er nicht eine Wohlthat gethan. Da sein Bruder, der sittenlose Domitian, Ansprüche auf die Thron. folge machte, so glich T. diesen Zwist auf die liebevollste Weise aus, indem er seinen Bruder zum Reichsgehülfen annahm. Besonders wohlthätig wirkte T. dadurch, daß er die Anklage wegen Beleidigung der Majestät, welcher in der frühern Regierung so viele Opfer gefallen waren, gänzlich aufhob, dem Volke verlorene Rechte zurückgab und dasselbe ohne Verschwendung beschäftigte. Die vielen Unglücksfälle, welche Italien während seiner Regierung heimsuchten, die Verschüttung von Herculanum, Pompeji und Stabiä, eine fürchterliche Feuersbrunst in Rom und die auf diesen Brand folgende Pest gaben ihm Gelegenheit, seine Mildthätigkeit und-Menschenliebe zu beweisen. Er starb schon 81 n. Chr., und da er keine Söhne hinterließ, so folgte ihm sein ihm gänzlich unähnlicher Bruder Domitian (s.d.).

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 441.
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