[533] Unterwalden (der Canton) liegt beinahe im Mittelpunkte der Schweiz, enthält auf 121/2 M. gegen 25,000 Einw., welche von deutscher Abkunft sind und sich zur katholischen Kirche bekennen, und war mit Uri und Schwyz, von welchen er östl. und nördl. begrenzt wird, einer von den drei zuerst verbundenen Cantonen. (S. Schweiz.)
Außerdem bilden der Vierwaldstädtersee und der Canton Luzern gegen N., Bern gegen S. seine Grenzen, und seit dem I. 1308 hat sich das Gebiet dieses Cantons nur durch Einverleibung der Gemeinde Alpnach verändert. Hohe Alpenketten mit Gletschern und ewigem Schnee scheiden den Canton von Bern und Uri und ziehen sich durch sein Gebiet bis zum Vierwaldstädtersee. Der Titlis erhebt sich hier bis 10,117 F., und über die bis 10,318 F. ansteigenden Surenenalpen führt ein 7215 F. hoher Saumweg, der Surenpaß, nach Altorf in Uri. Außer dem Vierwaldstädtersee sammeln sich die Gewässer noch zum Sarner-, Trübt-, Melch- und Lungersee, welcher letztere durch einen mit ebenso viel Mühe wie Kosten von 1788–1836 angelegten Stolln um 120 F. abgelassen worden ist, wodurch an seinen Ufern mehr als 500 Morgen Land gewonnen [533] wurden. Hauptbeschäftigung der Bevölkerung ist Viehzucht und der Handel mit den Erzeugnissen derselben, besonders mit Butter und Käse, ist ansehnlich; über 11,000 Kühe weiden auf den Alpen, und der Wiesencultur wird vorzüglicher Fleiß gewidmet. Außerdem wird Obst und Gemüse, Kartoffeln, Hanf und Flachs, Getreide aber nur wenig erbaut. Der Kernwald theilt den Canton von S. nach N. in zwei Theile, Ob dem Walde oder Obwalden, und Nid dem Walde oder Nidwalden, welche seit dem 12. Jahrh. zwei unabhängige kleine Staaten gebildet haben, bei der schweiz. Tagsatzung aber als ein Canton durch einen wechselsweise von ihnen bevollmächtigten Gesandten repräsentirt werden. Die Verfassungen beider Theile sind einander sehr ähnlich und die höchste souveraine Gewalt beruht nach denselben auf dem Volke, das in allgemeiner Versammlung oder Landesgemeinde, bei welcher alle unbescholtene Landleute von gesetzlichem Alter erscheinen, die Vorgesetzten des Landes wählt. Die Rechtspflege wird von Siebnergerichten, welche aus sieben Mitgliedern bestehen, von Friedensgerichten und dem Geschworenengericht versehen. Als Canton haben beide Landestheile einen Bannerherrn, stellen ein Truppencontingent von 328 M. und zahlen 1910 Fr. zu den eidgenössischen Bundesausgaben. Im Lande Ob dem Walde, dem westl. und weniger rauhen Theile, liegt der Hauptort Sarnen mit 3500 Einw. am Sarnersee, im dortigen schönen Rathhause wird das treffliche Relief des Cantons vom Ingenieur Müller aufbewahrt. Nahe bei Sarnen liegt der Landenberg, auf welchem eine Burg stand, die am 1. Jan. 1308 bei dem Aufstande erobert und dann zerstört wurde. Jetzt befindet sich das Zeughaus, eine hübsche Kirche und der Platz dort, wo die Versammlungen der Landesgemeinde gehalten werden. Die Bewohner von Alpnach mit 1400 Einw., an einer Vucht des Vierwaldstädtersees, treiben viel Schiffahrt. Dicht bei diesem Orte erhebt sich der 7000 F. hohe Pilatusberg mit einem kleinen See auf seinem Gipfel, in welchen die Sage den Leichnam des Pontius Pilatus versenken läßt, nachdem er in der Tiber, in der Rhone und im Genfersee keine Ruhe hatte finden können. Alle Charfreitage sollte Pilatus in seinem röm. Richterkleide auf dem Berge umgehen, welcher deshalb Jahrhunderte lang von den abergläubigen Hirten gemieden wurde. Im Dorfe Sachseln findet jährlich im Jul. ein vorzüglich besuchtes Schwingfest statt, eine sonst in der Schweiz allgemein verbreitete Art Wettkämpfe, bei denen sich die Kämpfer, welche besondere Schwinghosen tragen, nur am Gürtel oder an den Knien fassen und einer den andern emporzuheben und zu Boden zu werfen suchen; in der Dorfkirche ist das Grab des berühmten Bruder Claus. (S. Nicolaus von der Flüe.) Das romantische Melchthal mit Marmorbrüchen ist auch als Heimat Arnold's von der Halden, gewöhnlich Arnold von Melchthal genannt, merkwürdig, welcher zu den Stiftern der schweizer. Freiheit gehört. In einem engen, von Alpenwiesen und Gletschern der Surenenalpen und des Titlis eingeschlossenen Thale, durch welches die Aa fließt, liegt die 1120 gestiftete Benedictinerabtei Engelberg mit einem Seminarium und einer wichtigen Bibliothek. In Nid dem Walde oder Nidwalden ist der Hauptort Stanz mit 2500 Einw., der anmuthig von Wiesen und Obstpflanzungen umgeben ist; auf dem Markte steht auf einem Marmorbrunnen die Statue des Arnold von Winkelried; im Zeughause wird auch dessen Panzer verwahrt, und in der Nachbarschaft ist sein ehemaliges [534] Wohnhaus noch zu sehen. Eine Viertelstunde von Stanz liegt der mit Bänken besetzte Versammlungsort der Landesgemeinde, und auf dem 1 Stunde entfernten Rotzberge befinden sich die Ruinen des Schlosses Wolfenschieß, mit dessen Ersteigung am 1. Jan. 1308 der Aufstand der Eidgenossen anhob. Stanzstadt und Buochs sind Landungsplätze am Vierwaldstädtersee. Beide wurden 1798 von den Franzosen eingeäschert, welche damals das ganze an sich arme Ländchen verheerten, weil es sich hartnäckig weigerte, die neue aufgedrungene Verfassung anzunehmen. Einer der heldenmüthigsten Kämpfe der Unterwaldner gegen die franz. Uebermacht fand im Herbst 1798 bei der Kapelle St.-Jakob am Kernwalde statt.