Zinn

[1027] Zinn (lat. Stannum, chem. Zeichen Sn), metallisches Element, findet sich nicht gediegen, sondern meist an Sauerstoff gebunden als Zinnerz (s.d.). Die Reduktion des Zinnerzes erfolgt unter Zusatz schlackenbildener Materialien in Schacht- oder Flammöfen; sie liefert Erz-Z. und eine mit fein verteiltem Z. (Körner, Dörner, Seigerdörner, Zinnpausche) durchsetzte Schlacke, die noch mehrfach durchgenommen wird und das Schlacken-Z. liefert. Das rohe Werk-Z. wird gereinigt durch Schmelzen und Polen; beigemengte Metalle oxydieren sich und werden als Gekrätze abgeschöpft, das Metall wird ausgeschöpft und liefert in seinen obersten Schichten das reinste (Korn-Z.); in Deutschland reinigt man das Z. durch Pauschen, d.h. dadurch, daß man das geschmolzene Roh-Z. in sog. Pauschherden über glühende Kohlen fließen läßt. Z. ist silberweiß, glänzend, sehr weich, dehnbar, wenig fett, hat ein spez. Gewicht von 7,28, das Atomgewicht 119, wird bei 200° spröde, schmilzt bei 228°, destilliert bei Weißglut, verbrennt bei hoher Temperatur mit weißem Licht zu Zinnoxyd; es hat kristallinisches Gefüge und knirscht beim Biegen (Zinngeschrei); die kristallinische Struktur zeigt das Z. beim Anbeizen der Oberfläche mit Säuren als eisblumenartige Zeichnung, Metallmohr (Moiré métallique); durch längere Einwirkung tiefer Temperatur zerfällt das Z. zu kleinen grauen Kriställchen vom spez. Gewicht 5,8 (graues Z.), das beim Erwärmen wieder in gewöhnliches übergeht. Z. wird von organischen Säuren nur wenig angegriffen, Salzsäure löst es unter Wasserstoffentwicklung zu Stannochlorid, konzentrierte Schwefelsäure zu Stannosulfat, verdünnte Salpetersäure zu Stannonitrat; konzentrierte Salpetersäure liefert unlösliche Metazinnsäure, Alkalilaugen lösen es beim Sieden zu zinnsauren Salzen. Z. dient zur Herstellung von Geräten (Zinnguß), zum Verzinnen von Eisen (Weißblech) und Kupfer, sehr dünn ausgewalzt und gehämmert als Zinnfolie (Stanniol); Z. gibt mit Blei leicht schmelzende Legierungen, verwendet zu Haus- und Küchengeräten (ein Gehalt von über 10 Proz. Blei ist in Deutschland verboten) und als Schnellot; mit Kupfer Bronze, mit Antimon Britanniametall; mit Zink die weiße Bronze, die sehr fein ausgeschlagen das Schlagsilber (unechte Blattsilber, Silberschaum) liefert; mit Quecksilber Zinnamalgam, früher als Spiegelbelag, jetzt zur Zahnfüllung (Zinnplombiermetall) benutzt, da es nach einiger Zeit erhärtet. Z. ist zweiwertig in den Stanno- oder Zinnoxydulverbindungen und vierwertig in den Stanni- oder Zinnoxydverbindungen. Die Stannoverbindungen nehmen leicht Sauerstoff auf und gehen in die letztern über, sie wirken deshalb als Reduktionsmittel; Stannooxyd ist eine starke Base, Stannioxyd ist eine schwache Base und zugleich schwache Säure. Stannooxyd (Zinnoxydul), schwarzes Pulver, hinterbleibt beim Erhitzen seines Hydrats unter Luftabschluß; wird in der Emaillefabrikation benutzt; Zinnoxydulhydrat (Stannohydrat), weißer Niederschlag aus Stannosalzen durch Alkalikarbonate oder Alkalien, löst sich im Überschuß der letztern zu einer stark reduzierenden Flüssigkeit, wird in der chem. Analyse verwendet; Zinnchlorür (Zinndichlorid, Stannochlorid) kristallisiert aus der Lösung von Z. in Salzsäure in farblosen Kristallen als Zinnsalz; ist in wenig Wasser unverändert löslich, scheidet mit viel Wasser Zinnoxychlorür ab, ist giftig, oxidiert sich sehr leicht, dient als Reduktionsmittel in der Färberei, bes. zum Ätzdruck, zur Herstellung von Goldpurpur und Lackfarben; Zinnoxydulsulfat (Stannosulfat) wird mit Zinnchlorür zusammen als Beize in der Zeugfärberei benutzt. Zinnsulfür (Stannosulfid), braunschwarzer Niederschlag aus Stannosalzlösungen durch Schwefelwasserstoff, wird von Alkalipolysulfiden zu Sulfostannaten gelöst. Stanniverbindungen: Zinnoxyd (Zinndioxyd, Zinnasche, Stannioxyd, Zinnsäureanhydrid, Cineres Jovis) entsteht beim Glühen der Zinnsäuren und durch Verbrennen von Z.; findet sich in der Natur als Zinnstein, ist in reinem Zustand farblos, wird als Schleif- und Poliermittel für Marmor und Stahl, als Zusatz zu Glasflüssen und Emaillen verwendet; liefert mehrere Hydrate (Zinnhydroxyde, -oxydhydrate), die gewöhnliche gallertartige Zinnsäure und die in Säuren unlösliche Metazinnsäure, die aus Z. durch rauchende Salpetersäure entsteht. Salze der gewöhnlichen Zinnsäure (Stannate): zinnsaures Natrium (Präpariersalz, Grundiersalz, Natriumstannat, Zinnoxydnatron, Sodastannat), aus Z. durch Schmelzen mit Ätznatron und Chilesalpeter oder durch Kochen mit Bleioxyd und Natronlauge dargestellt, farblose Kristalle, in heißem Wasser schwerer löslich als in kaltem, verwendet in der Färberei; zinnsaures Chrom (Minerallack, Pinkcolour), eine rote Porzellanfarbe; Zinnchlorid (Zinntetrachlorid, Stannichlorid), aus Z. und Chlor direkt erhalten als farblose, stark ätzende, an der Luft rauchende Flüssigkeit (Spiritus fumans Libavii); entsteht in wässeriger Lösung durch Eintragen von Z. in Königswasser und wird in der Färberei Zinnsolution (Zinnkomposition, salpetersaures Z., Scharlachkomposition, Barwoodkomposition, Blauholzkomposition, Physiksalz, Rosiersalz, Rosasäure) genannt; Zinnbutter, die kristallinische Masse, die sich aus wasserfreiem Zinnchlorid beim Vermischen mit 1/3 Wasser bildet, findet in der Färberei ausgedehnte Anwendung, bes. für Türkischrot und Rosa, verbindet sich mit Chlorammonium zu Ammoniumzinnchlorid (Pinksalz); Schwefel-Z. ist entweder Zinnsulfid (Zweifach- Schwefel-Z.), als gelber Niederschlag aus Stannilösungen durch Schwefelwasserstoff, auch kristallinisch in goldglänzenden Flittern (Musivgold, s.d.) beim Erhitzen von Z. mit Schwefel und Salmiak gewonnen, oder Zinnsulfür (Einfach-Schwefel-Z.), ein brauner, durch Schwefelwasserstoff in Zinnoxydulsalzlösungen entstehender Niederschlag.

Quelle:
Brockhaus' Kleines Konversations-Lexikon, fünfte Auflage, Band 2. Leipzig 1911., S. 1027.
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