Polen

Europäisches Russland. I. (Karten) 1. St. Petersburg 2. Riga 3. Moskau 4. Warschau 5. Odessa 6. Sewastopol
Europäisches Russland. I. (Karten) 1. St. Petersburg 2. Riga 3. Moskau 4. Warschau 5. Odessa 6. Sewastopol
Europäisches Russland. II. (Karten) 1. Geolog. Übersicht und Mineralfundstätten. 2. Physikal. Übersicht. 3. Pflanzen- u. Tiergeogr. Übersicht. 4. Volksdichte. 5. Historische Übersicht.
Europäisches Russland. II. (Karten) 1. Geolog. Übersicht und Mineralfundstätten. 2. Physikal. Übersicht. 3. Pflanzen- u. Tiergeogr. Übersicht. 4. Volksdichte. ...
Bevölkerung. I. (Karte) Volksdichte in Mitteleuropa
Bevölkerung. I. (Karte) Volksdichte in Mitteleuropa
Deutschtum. I. (Karte) Völkerkarte von Mitteleuropa
Deutschtum. I. (Karte) Völkerkarte von Mitteleuropa

[427] Polen, früher eigenes Königreich, in die drei Prov. Großpolen (s.d.), Kleinpolen und Litauen (s.d.) zerfallend, vor 1772 noch 774.000 qkm umfassend; jetzt russ. Provinz [Karten: Europäisches Rußland I u. II], offiziell die Weichselgouvernements, zwischen Deutschland, Österreich-Ungarn und dem eigentlichen Rußland, 127313 [427] qkm, 9.402.253 meist kath. E. (davon 267.000 Russen, 1,2 Mill. Juden, 407.300 Deutsche [Karten: Bevölkerung I und Deutschtum I]); eine Tiefebene, nur im S. hügelig, entwickelter Ackerbau, bedeutende Viehzucht, Gewinnung von Steinkohlen, Metallen (namentlich Eisen), bedeutender Handel; bildet seit 1874 das Generalgouv. Warschau, eingeteilt in zehn Gouvernements; Hauptstadt Warschau.

Geschichte. der Name P. kommt von dem slaw. Stamm der Poljanen. Als Fürsten der Vorzeit werden Lech und Popiel genannt. Unter Mscislaw I. (962-992) aus dem Hause der Piasten beginnt die beglaubigte Geschichte. Er gründete zwischen Oder und Weichsel ein einheitliches Staatswesen, nahm 966 das Christentum an und gründete 968 das Bistum Posen. Nach vielen Teilungen und Kämpfen vereinte Wladislaw I. (1306-33) Groß- und Klein-P., machte sich vom Deutschen Reich unabhängig und nahm die Königswürde an. Nach dem Tode seines Sohnes, Kasimir III. (1333-70), vereinigte dessen Schwestersohn, Ludwig I. (1370-82), P. mit Ungarn; durch Vermählung seiner Tochter mit Jagello ward P. mit Litauen verbunden. Unter den Jagellonen (1386-1572) kam Ermland und Westpreußen an P., das Herzogt. Preußen wurde poln. Lehn. 1569 erreichte P. unter Sigismund II. August seine größte Ausdehnung, fast 940.000 qkm mit etwa 15 Mill. E. 1572 war es Wahlreich, in dem der Adel eine übermächtige Stellung einnahm. 1573 ward Heinrich (III. von Frankreich) von Valois, 1575 Stephan Bathory, 1586 der schwed. Prinz Sigismund III., 1648 Johann II. Kasimir zum König erwählt. Letzterer verlor 1657 die Lehnshoheit über das Herzogt. Preußen, 1667 Smolensk, Kiew und das Land östl. vom Dnjepr an Rußland; im Innern herrschte schon unter ihm, noch mehr unter seinem Nachfolger, Joh. Sobieski (1674-96), völlige Anarchie. Unter August II. von Sachsen (1697-1733) ward P. in den Nordischen Krieg (s.d.) verwickelt; ihm folgte August III. (1733-63) und diesem durch Katharinas II. Einfluß Stanislaw August Poniatowski, unter dem die Zerrüttung so groß war, daß Österreich, Rußland und Preußen 5. Aug. 1772 die erste Teilung P.s vornahmen, durch die dieses ca. 214.000 qkm verlor und seitdem ganz unter dem Einfluß Rußlands stand. Letzteres verwarf die Konstitution von 1791, worauf es 4. Jan. 1793 zur zweiten Teilung kam, bei der Rußland 250.700 qkm mit 3 Mill. E., Preußen 58.370 qkm mit 1.100.000 E. erhielt. Die Erhebung Kosciuszkos hiergegen ward 1. Nov. 1794 unterdrückt, und durch die dritte Teilung 24. Okt. 1795, bei der Rußland 111.780 qkm mit fast 1.200.000 E., Preußen 54.898 qkm mit fast 1 Mill. E. und Österreich 45.922 qkm mit über 1 Mill. E. bekam, ward P. aus der Reihe der Staaten gestrichen. Das 1807 von Napoleon neugegründete Herzogt. Warschau wurde vom Wiener Kongreß als Königr. P. mit Rußland verbunden bis auf die Republik Krakau, und erhielt 27. Nov. 1815 eine Konstitution. Diese ward aber nach der 29. Nov. 1830 zu Warschau ausgebrochenen, von der Provisorischen Regierung unter Czartoryski, seit 17. Aug. 1831 unter Krukowiecki, seit 7. Sept. unter Niemojewski geleiteten, durch die Schlachten bei Grochow (25. Febr. 1831) und Ostrolenka (26. Mai) und die Erstürmung Warschaus (7. Sept.) unterdrückten Revolution durch das Organische Statut vom 26. Febr. 1832 ersetzt; es erfolgten zahlreiche Deportationen nach Sibirien, Konfiskationen und strenge polizeiliche Überwachung. Ein zweiter Aufstand führte 1846 zur Besitznahme Krakaus durch Österreich. Nach einem dritten großen Aufstande 1862-64, von dem sich jedoch der Bauernstand fern hielt, ging die Regierung rücksichtslos mit der Russifizierung P.s vor. Eine Milderung ist durch die Manifeste von 1905 in Aussicht gestellt, und P. wählt zur russ. Reichsduma 36 Abgeordnete. – Vgl. über Geschichte Röpell und Caro (Bd. 1-5, 1840-86); Beer, »Die erste Teilung P.s.« (3 Bde., 1873); von der Brüggen, »P. s. Auflösung« (1878); von Trotha, »Der poln. Aufstand 1863« (1895); Kraszewski, »P. während der drei Teilungen, 1772-99« (poln., 3 Bde., 1903); Smoleński, »Geschichte des poln. Volkes« (poln., 1904); Węźyk, »Der Aufstand 1830-31« (poln., 1905).

Quelle:
Brockhaus' Kleines Konversations-Lexikon, fünfte Auflage, Band 2. Leipzig 1911., S. 427-428.
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