Afrika (Geschichte)

[95] Afrika (Geschichte). Das Glutbett der Sonne ist kein für die Kultur geeigneter Boden; die Kultur aber ist die Mutter der Geschichte. Deßhalb hat Afrika keine Geschichte. Dieser Welttheil ist seit Jahrtausenden für die Europäer das Buch mit sieben Siegeln gewesen, und wenn auch der rastlose Forschungsgeist in neuerer Zeit einige dieser Siegel gelöst hat, so werden doch noch viele Jahrhunderte vergehen müssen, ehe es offen daliegt. Von einer Staatengeschichte Afrika's kann man nicht reden, wie dieß bei den übrigen Welttheilen der Fall ist; nur wie man in der libyschen Wüste einzelne Oasen findet, so stößt man auch nur auf die Geschichte einzelner Landstriche, fast zu dürftig und fragmentarisch, um eine Geschichte genannt zu werden. Es ist eigentlich nur eine Geschichte der Reisen, die von kühnen Europäern meist mit unglücklichem Ausgange, versucht worden sind. Ob im Innern fruchtbare Länder liegen, wie man viel vermuthet hat, wer will dafür oder dawider sprechen? Ein ungeheueres Sandmeer, die Wüste Sahara, wird von dem glühenden Samum, diesem gifthauchenden Orkane, gepeitscht, und selbst das unermüdliche Schiff dieses Meers, das Kameel, sinkt von ihm errafft, geschweige die schwachen kühnen Schiffer. – Die Alten kannten nur die Nordküste von Afrika, welche die Griechen Libya nannten; doch fanden schon damals mehrere, sehr gewagte Umschiffungen des Welttheils Statt. Auf Befehl des Königs Nechos von Aegypten machten Phönikier diese gefährliche Reise; ein Karthager Hanno segelte weit an der Westküste, spätere an der Ostküste hinab; man hatte wohl die Vorstellung eines Dreiecks, welches Afrika bildet, aber eine sehr unvollkommmene und unsichre. – Aegypten wurde von den Alten nicht zu Afrika gezählt, und schied sich auch durch seine hohe Kultur aus. (S. Aegypten). Die Nordküste Afrika's war im Alterthume bebauter und bekannter fast, als jetzt. Dort blühete der mächtige Staat Karthago, von den Römern vorzugsweise Afrika genannt, mit den reichen Städten Karthago, Utika u. a., ein Kolonieenland der Phönikier; dort Kyrenaika, ein fruchtbares griechisches Kolonieenland,[95] mit den Städten Kyrene, Barka u. a. Man kann aber nur von einer Geschichte Karthago's und Kyrenaika's reden. (S. d Art.) Griechen und Römer waren weit in's Innere vorgedrungen; der räthselhafte Nigerstrom war ihnen bekannt. Aber mehr als sie leisteten die späteren Eroberer der Nordküste, die Araber (Mauren s.d.) in der Aufhellung Afrika's. Man hat mehre vortreffliche Werke ihrer kenntnißreichen Geographen über Afrika. – Unter der Regierung des Königs Johann I. von Portugal faßten die Portugiesen in Afrika festen Fuß; ihre Eroberungen breiteten sich immer mehr aus, bis Alphon's V. (1471) Tanger eroberte. Die tapfern Söhne Johann's 1. verdienten sich bei Eroberung von Ceuta den Ritterschlag 1419, und einen derselben, Don Fernando hat der Dichter Calderon in seinem Trauerspiele »der standhafte Prinz« (übersetzt von A. W. Schlegel) als heldenmüthig untergehenden Saracenenbekämpfer gefeiert. Mehr noch hätte es sein berühmterer Bruder, Don Enrique verdient, bekannt unter dem Namen Heinrich der Seefahrer oder der Entdecker. Er spielt in der Geschichte Afrika's eine wichtige Rolle. Durch seinen wißbegierigen Eifer und sein planmäßiges Verfahren wurden nach einander die Inseln Porto-Santo, Madeira, die Azoren entdeckt. Bis zu des Infanten Heinrich's Tode (1460) war die größere nördliche Hälfte der Westküste Afrika's durchforscht; aber auch nach seinem Tode fuhren die von ihm angeregten Portugiesen in ihrem löblichen Bestreben fort, und Diaz erreichte die südliche Spitze von Afrika (Vorgebirge der guten Hoffnung), welche Vasco de Gama (1497) umschiffte, und nun wurde die Ostküste Afrika's eben so erforscht, wie früher die Westküste, bis sie zum rothen Meere hinauskamen. Schon im 16. Jahrhundert reisete der Engländer Tomson über den Gambia nach Tanda. Das 17. Jahrhundert zählt schon mehr Reisende; aber der im 18. erwachte Forschungsgeist trieb eine Menge wissenschaftlicher kühner Europäer nach Afrika, wozu die 1788 in London gestiftete afrikanische Gesellschaft zur Beförderung der Kunde des Innern[96] von Afrika viel beitrug. Die berühmtesten der neuern Reisenden sind Mungo Park, (ertrank 1806 im Niger) Hornemann, Laing † 1826, Clapperton †1827, die Brüder Lander und Caillé. Durch die Letztern ist endlich das große Räthsel gelöst worden, welches, seit es eine Geschichte gibt, über der Mündung des Niger schwebte. Im Sommer 1830 fuhren Richard und John Lander den Strom hinab, bis in die Bai Biasara. Der Niger mündet, ihrem Berichte zu Folge, in mehreren großen Armen, die verschiedene Namen führen. – Ueber die Geschichte der Barbaresken-Staaten sehe man die einzelnen Artikel; ebenso über die der Capstadt, von Madagascar und die der kleinern Inseln. Der neue Staat der freien Neger an der Küste Sierra Leona, Liberia, wo hin jährlich viele Tausende von Negern aus Amerika geführt werden, lenkt in neuester Zeit die Aufmerksamkeit fast ebenso auf sich, als die Eroberung Algiers durch die Franzosen. Die Geschichte Liberia's-unter d. A.

St.

Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 1. Leipzig 1834, S. 95-97.
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